Katarina die Große

Jubiläum im Best Western Hotel Der Lindenhof. Zum 40. Mal hieß es „Ein Abend mit…“ Viele Promis folgten in neun Jahren Olaf Seibickes Einladung nach Gotha. Nun erfüllte sich der Hoteldirektor einen ganz persönlichen Wunsch: Nach besonders beharrlichem Buhlen kam endlich Kati Witt.

Als die Kunde davon die Runde machte, waren im Handumdrehen die Karten weg. Nicht zuletzt auch wegen Kati Witts Fanclubs. Der rückte mit großem Aufgebot an.

Wie immer war der „Lucas-Cranach-Saal“ ganz im Zeichen des Stargasts hergerichtet. Großformatige Porträts von Katarina, mit markanten Zitaten von ihr bestückt, schmückten den Raum. Schlittschuhe hingen an den Holzbalken des einstigen Offiziers-Kasinos, ein Paar in XXL und aus Gips stand auf der Bühne und auf jeder der festlich gedeckten Tafeln fungierten  Stiefel als Blumenvase.

Diee Menükarte las sich wie das Hohelied des Eiskunstlaufs: Das Entrée lieferte ein „Dreifacher Salchow“, eine Kürbiscremesuppe mit Kürbiskernöl. Einen kulinarischen „Doppelten Axel“ bot gebratenes Zanderfilet auf Mangold mit Safransoße und gefüllten Kartoffelschiffchen. Und als Dessert reichten die aufmerksamen Bedienungen am späteren Abend einen „Dreifachen Toeloop“ – eine Schokoladensinfonie an Beerenallerlei.

Doch noch vor der süßen Versuchung kurz vor Mitternacht gab es den wahren Hauptgang: Zwei Stunden amüsantes Plaudern von und mit Kati Witt.
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Nicht verwunderlich, dass vor allem Witts Zeit als Eisprinzessin den Abend dominierte: Berührend fürs Publikum, dass sie selbst nach 30 Jahren ihren Gefühlen dazu freien Lauf lassen konnte, als sie z. B. über ihre Triumphe sprach und die Momente auf dem Siegerpodest. Darüber, dass dann ihre Gedanken den Eltern, der Trainerin und allen anderen galten, die ihr zum Sieg verhalfen. Da rannen Tränen. Nicht zuletzt auch, weil Elke Dreßler, die gute Seele des Fanclubs, aus ihrem Bestand Original-Kostüme der ganz jungen Kati mit nach Gotha gebracht hatte: „Oh mein Gott, wie klein ich damals war?!?“ Eine völlig überraschte Katarina kündigte deshalb Elke Dressler noch mit feuchten Augen an: „Ich muss mal Deinen Kleiderschrank plündern!“

Das Phänomen Kati Witt. Sie brachte die Kunst ins Eislaufen. Das lag nahe, weil in den Genen: Die Mutter war Tänzerin, der Vater Sänger. Ihre künstlerische Ader auszuleben, beförderte zudem ihre Trainerin: „Ich liebte es, mit Frau Müller Geschichten zu erzählen.“ Selbst heute also noch spricht sie noch so respektvoll von Jutta Müller. Nach so vielen Jahren, in denen sie oft mehr Zeit mit der bekanntermaßen gestrengen Meistermacherin verbrachte als mit der Mutter. „Sie hat uns manchmal morgens Stullen geschmiert, damit wir in der Halle was zu essen hatten.“

Als Kind sei sie so dickköpfig wie ehrgeizig gewesen. Deshalb mangelte es an Freunden: „Ich hatte dafür keine Zeit.“ Leistungssport zu betreiben, bedeutete, jeden Tag wenigstens sechs Stunden zu trainieren. Dafür musste selbst die Schule zurücktreten. Von Oktober bis März war zudem Wettkampfsaison, da blieb erst recht keine Zeit fürs Lernen. Kati Witt brauchte deshalb dreizehn Jahre für ihren 10.-Klasse-Abschluss. Ihr Weg zur Weltspitze sei eben auch immer „eine Form des Verzichts“ gewesen. Und dennoch glaubt man einer Witt unbesehen, wenn sie sagt: „Ich habe überhaupt nichts vermisst.“

Weniger, weil sie schon als Jugendliche in der Weltgeschichte herumreiste. Selten hätten die Sportler etwas anderes als die Hotels und die Wettkampfstätten gesehen. Da habe „Frau Müller“ dann darauf geachtet, „dass wir wenigstens etwas von dem Städten sahen, wo wir waren“.

Einen anderen als ihren Sport habe sie sich nie vorstellen können – auch heute nicht, gestand sie Olaf Seibicke. Tennis hätte kurzzeitig gereizt: Gehe da was schief, könne man da „so schön laut schimpfen“. Ihre gelegentlichen Ausflüge auf Golfplätze in den letzten Jahren hingegen begründete sie ausschließlich mit einem cleveren Marketing. „Da kann ich für meine Stiftung die dicksten Schecks sichern.“ Die „Katarina Witt Stiftung“ entstand 2005, um behinderte Kinder und Jugendliche zu unterstützen.

Genau aus diesem Grunde hatte sich Olaf Seibickes Traumgast zum Kommen entschieden: Gothas Trumpfkarte war der Behindertensportverein 1991 Gotha e. V.; „auf dem Wasser und zu Lande“ zu Gange, wie Roland Acker, sein Vorsitzender seit 20 Jahren, beschrieb. Im Dezember 2014 bekamen die Behindertensportler eine Spende über 3.000 Euro von Witts Stiftung. Sie waren jetzt auch die ersten, für die sich Kati im Hotel eine reichliche halbe Stunde Zeit nahm, kaum in Gotha gelandet. Strahlende Gesichter signalisierten große Dankbarkeit für diese Geste.

„Ich fand es schön, immer Vorbild zu sein.“ Das sagte sie später am Abend, als es um ihre Rolle als Idol so vieler Sportlerinnen und Sportler ging. „Halb zog man sie, halb sank sie hin…“ So ließe sich, Goethes Worte variierend, wohl am treffendsten Kati Witts Weg dahin beschreiben. Ihr Leistungswillen und ihre Beharrlichkeit eröffneten Wege, die anderen versperrt blieben: „Schon als Zehn-, Elfjährige wusste ich: Wenn ich gut bin, kann ich reisen.“

Dazu verhalf auch Katis Naturell, ihr Wunsch, sich mit anderen messen zu können. „Ich wollte gewinnen. Immer.“ Dabei habe sie immer Fairness und Respekt für ihre Konkurrentinnen empfunden. Das habe sie trotzdem nicht daran gehindert, an der Bande zu stehen und insgeheim zu wünschen: „Das Eis ist so glatt, fallt hin!“ Das amüsierte Raunen Publikum quittierte sie kokett: „Ich konnte eben auch ein Luder sein…“ Für so viel ehrliche Offenheit liebt sie ihr Publikum. Auch jüngst das in Gotha.

Warum aber auch nicht? Kati musste nicht erst ein „böses Mädchen“ werden, um überall hin zu kommen. Das klappte schon während ihrer Eiszeit bestens. Und erst recht, als sie „mit 22 Jahren eine Eislauf-Oma“ geworden war und deshalb ihre sportliche Karriere beendete. Ihre Erfolgs-Story fand nahtlose Fortsetzung. Dank gutem Instinkts und glücklichem Händchens habe sie immer die rechten Leute für eine bis heute andauernde Karriere gefunden. Und blieb dennoch unglaublich bodenständig, wie sich immer wieder an diesem Abend zeigte.

Wunderbar auch die Momente, in denen sie sorglos sächselnd ihrer zweiten Heimat Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz heißend, huldigte. In diesem Zusammenhang ist es übrigens verwirrend wie interessant, wie wenige Menschen – selbst Sport-Journalisten! – wissen, dass die einzig wahre Eiskönigin in Staaken (einst Kreis Nauen, heute zu Berlin gehörig) geboren wurde?!?

Seibicke hatte zu Beginn des Abends das Publikum um zweierlei gebeten: Zum einen ging ein edles Poesiealbum durch die Reihen, in das sich alle verewigen konnten und das dann zum Schluss das ganz persönliche Präsent für den Stargast werden sollte. Zum anderen animierte er noch einmal eine Spendenaktion für die Behindertensportler: Zum guten Schluss der großen Gothaer Kati-Witt-Gala ergab die weitere 1.000 Euro. Dazu packten der Lions-Club Gotha, dessen Mitglied Olaf Seibicke ist, 1.000 Euro und auch die Hoteleigner Lange und Lührmann gaben weitere 2.000 Euro.

Kati Witt wiederum begeisterte die Großzügigkeit der Gothaer so sehr, dass sie spontan zusagte, mit Mitteln ihrer Stiftung die Summe auf final dann 5.000 Euro aufzurunden.

Dass sie dann noch geduldig Autogramme ohne Ende für jeden in der langen Schlange schrieb, obendrein ein paar herzliche Worte fand – dafür liebten die Gäste sie umso mehr.

Und genau das macht sie eben zu einem echten Star.
Zu Katarina der Großen.

Text: Rainer Aschenbrenner
Fotos: Livia Schilling/Rainer Aschenbrenner

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