„Christine Lieberknecht auf Kneipentour“

„Christine Lieberknecht auf Kneipentour“ – was für eine geile BILD-Schlagzeile!?

War aber die operative Antwort der hiesigen CDU-Bataillone auf Störfeuer. „Unbekannte Personen“, so las man, hatten die Podiumsdiskussion “Christliche Werte in der Politik” im Augustinerkloster verhindert. Druck wäre auf Superintendent Lehmann ausgeübt worden.

Aber klein beigeben ist nicht: Und wenn schon einmal im Terminplan der MP Gotha steht, muss es eben eine Alternative geben. „Wir gehen auf die Gothaerinnen und Gothaer zu“, beschrieb die das Elflein der CDU.

Der dazu benutzte Stadtrundgang sollte ab 20 Uhr seinen Abschluss im „S’Limerick“ finden. Meinem Alter ego und Freund Maik Sch. verdanke ich, dieses besondere Ereignis erlebt zu haben. Denn eigentlich wollte ich gestern weder Lieberknecht gucken noch Guinness trinken gehen. Doch halb zog er mich, halb sank ich hin. So stapfte ich noch vor dem Sandmännchen Richtung Buttermarkt, statt im „dayfit“ die Spätfolgen der 1986er Weihnachtsgans zu bekämpfen. Ich tat dies so zeitig, weil mein von der Arbeit heimkehrendes Weib – kurz zuvor deshalb den Pub passierend – ihn brechend voll wähnte.

Ihre Wahrnehmung erwies sich als falsch, sozusagen als Frau Morgana: Sechs Gäste ließen (fast) unbeschränkte Platzwahl zu.

Erste Anzeichen dafür, dass es ernst werden würde, gab es kurz vor halb acht. Ein Streifenwagen fuhr vor. Dessen uniformierte Besatzung enterte den potenziellen Tatort. Zunächst wurde Kati, die coole Kellnerin, befragt, ob „auffällige Personen“ im Objekt gesichtet worden seien. Danach inspizierten und sicherten die beiden Beamten – unter grober Einhaltung des Kollegen- und Eigenschutzes – die rückwärtigen Räume.

„Tatort“-tauglich war das zwar nicht. Ihren Argusaugen entging dennoch nichts, da nichts Arges da war. Es dauerte auch nicht lange: Außer drei im Gespräch vertieften Typen, die über Kinobeschallungstechnik fachsimpelten, und mir, der ich mein Chili con carne verputzte, war da niemand.

Wider den Stachel löckend, sann ich einen Moment darüber nach, lauthals die „Bombenstimmung im Hause“ zu rühmen. Da aber Satire weder bei Lesern noch bei Polizisten unmissverständlich ankommt, ertränkte ich meinen Übermut im rotem Hausbier.

Wenig später tauchte Alexander Linß auf. Der „Londoner“-Kneipier und OB-Kandidat der Linken ließ sich nach kurzem Rundgang am Tresen nieder.Später traf ich ihn im Keller – telefonierend. Er täte dies, um die Gäste nicht zu stören. Echt rücksichtsvoll, finde ich. Und verstehe jetzt, warum manch „Schwarzer“ zum Lachen in den Keller geht …

Dann geschah länger nichts, was nicht üblicherweise in einem Pub geschieht. Bis der Schwarm einfiel.

Zunächst sondierten zwei Personenschützer den freien Zugang. Die Jungs sehen zwar nicht mehr aus wie freie Mitarbeiter vom „Inkasso Team Moskau“. Aber wie sie auftreten, wird glasklar: Sie sind sich ihrer Aufgabe bewusst. Sie geben ihr Leben für das der Ministerpräsidentin. Sie werfen sich in die Flugbahn von allem, was auf ihre Schutzperson zukäme. Selbst wenn es Worte wären.

Unübersehbar ihre kleinen Männer im Ohr. Weniger offensichtlich die Holster, in denen ihre Bleispritzen parkten. Und ich sah, staunte und lernte, während ich genüsslich ein Guinness schlürfte: So ein Personenschützer hat mindestens zwei Handys. Sicher auch deshalb, damit Christine L. nicht in die solche Bredouille wie ein gewisser Christian W. kommt. Der gewesene Bundespräsident musste sich – wie bekannt – von einem Freund ein Telefon leihen, damit er ohne fremde Lauscher in der Leitung seine Liebeschwüre erneuern respektive andere staatsmännische Aufgaben erfüllen konnte.

Als die Jungs Entwarnung gaben, dass die Luft rein wäre, kam Frau Christine und ihre Entourage. Gelöst und fast beschwingt. Offensichtlich hatte der Spaziergang an frischer Luft gut getan.

Man gruppierte sich – nicht ohne kleine Kabbeleien um die besten Plätze direkt an der Seite der Landesmutter. Die Runde bestellte eine Runde – erwartungsgemäß niemand ein rotes Bier. Dann war man schon im entspannten Gespräch.

Untereinander, denn der gemeine Gothaer gesellte sich – zumindest hier – nicht dazu. Mit Ausnahme des Londoner-Kneipiers und meines Freundes Maik. Die beiden aber gehören mindestens zur residenzstädtischen Haute-Volée und sind Personen des Zeitgeschehens.

Maik kam übrigens – wie immer – zu spät. Aber er hatte diesmal einen guten, einen echt knuddeligen Entschuldigungsgrund: Söhnchen Gustav, noch keinen Monat alt, wollte nicht einschlafen.

Ein reichliches Stündchen ging so hin. Zu hören gab es nichts, weil es zum Zuhören nichts gab. Man smalltalkte dezent, während ab und an Blitzlichter zuckten. Zum einen hatte Thüringens Tageszeitung Nr. 1 ihre investigative Geheimwaffe, meinen hoch geschätzten Kollegen Peter R., im Einsatz, um zu sehen, wer an der Landesmutter Schoßzipfel hängt. Zum anderen war Emanuel C., der keinesfalls lautlose Schatten gleich zweier Herren, wie immer eifrig und nah dran, wenn Politik zum Anfassen geboten wurde. Der Noch-Student der Politikwissenschaften saugt sicher enorm viel Honig aus seinem wahlkämpferischen Freilandversuch.

Spannend etwa, wie Christine L. den überwiegend männlichen Zirkel dominierte. Selbst ausgewachsene Bundestagsabgeordnete schienen an ihren Lippen zu hängen. Es heißt ja, kluge Männer hören auf ihre Frauen. Ganz besonders pfiffige offensichtlich auch auf fremde …

Erfolgreiche Frauen in der Politik sind eben immer besonders spannend und aufschlussreich: Sie beweisen, dass Testosteron tatsächlich keine Voraussetzung dafür ist, um Alpha-Tierchen zu werden.

Dann – kurz nach neun – brach die andere Thüringer Nr. 1 auf. Sie grüßte freundlich das immer noch recht übersichtliche Pub-Publikum und entschwand. Ihr Gefolge blieb ihr auch dabei auf den Fersen. Nicht aber, ohne zuvor Tütchen zu verteilen. Die ließen sich zwar nicht rauchen und interessierten daher die draußen ausharrenden Beamten nicht. Sie enthielten Blumensamen. Ich bekam gleich zwei, wohl weil CDU-Kreisgeschäftsführerin Rosel Steinbrück meine kleingärtnerischen Inkompetenz ahnte.

 

 

 

 

 

 

 

Schwarze Tulpen werden zwar nicht sprießen; aber falls die „bunte Landkreismischung“ bei mir wurzelt, schenke ich ihr einen Strauß.

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