Das Wort zum MUTwoch (72): Liebe Brüder und Brüderinnen!

Ein Dialog:
„Wat hadde Duden da?“
„Dem seine neueste Auflage…“

Die 26. Ausgabe des Dudens erschien am 4. Juli. Das war sicherlich zufällig. Am 4. Juli feiern US-Amerikaner ihren Unabhängigkeitstag. Und ich ab sofort den vom guten Deutsch.

Mir schwante schon nichts Gutes, als ich tags zuvor Marc Reichweins Beitrag über die Duden-Neuauflage in der „Welt“ las. Trotzdem konnte ich nicht widerstehen und kaufte mir vorigen Samstag für 24,99 Euro das gelbe Elend.

Ich tat das, obwohl ich schon vor einiger Zeit öffentlich den Verlust meines unerschütterlichen Vertrauen in DAS Standardwerk der deutschen Sprache kundgetan und eigentlich angekündigt hatte, der nächsten Auflage mit Missachtung zu begegnen.

Mein Geist war willig, das Fleisch aber zu schwach: Die Strafe folgte auf dem Fuße. Dessen Nägel rollten sich hoch nach erstem flüchtigen Blättern durch das einst so geschätzte Buch.

Wer heute dudet (mein Vorschlag für die 27. Ausgabe), der kann das im flotten Dreier: Für die Altvorderen, die lesen können, gibt es das Buch. Für jene, die sich schon immer gern auf die völlig unzureichende Rechtschreibprüfung von Microsoft Office verließen, steht auch wieder eine Rechtschreib- und Grammatiksoftware zur Verfügung. Die ist deutlich besser als die Vorgängerversionen. Allerdings macht sie den Rechner laaaaaangsam, hat er nicht mindestens 4 GB Arbeitsspeicher.

Bemerkenswert ist, dass die Duden-Macher offensichtlich nicht einmal selbst uneingeschränkt ihrem Tun vertrauen: Auf der Startseite des Online-Dudens findet sich der Hinweis, dass die Rechtschreibsoftware „für fehlerfreie private Dokumente“ sorge. Von professioneller Nutzung also kein Wort.

Außerdem ließ man sich im Hause Cornelsen, das 2009 den Duden-Verlag übernahm, nicht vom technischen Fortschritt „app“hängen: Auch für die schicken Mobiltelefone, mit denen viel Tolles geht, nur nicht gut telefonieren (neudeutsch auch „Smartphone“ geheißen), und für Frühstücks-Brettchen große Tatsch-Rechner gibt es eine Anwendung – „… die App für Android und iOS mit Wortsuche, Hörbeispielen, Zusatzfunktionen und Aktualisierungen“. Hörbeispiele? Wohl für jene, die nicht lesen können.

„Die Vorständin ruft auf Facebook zum Flashmob auf, weil die Schuldenbremse einen Shitstorm ausgelöst hat, während der Vollpfosten mit anderen Spacken Digital Natives bespaßen geht. Lol.“

Gleich neun der 5.000 neuen atemberaubenden Sprach-Perlen brachte Markus Lippoldt in seinem Einleitungssatz über die duduistische Revolution unter – nachzulesen auf ntv.de.

Wir haben den jüngsten jüngsten Tag am 21. Dezember geradeso überlebt. Merke: Selbst Mayas irren!

Doch der Menschheit droht immer noch Gefahr. Nicht durch Atomkrieg oder Umweltkatastrophen. Nein, wir schaffen uns anders ab.

Wir drehen gerade am Rad der Evolution. Die Menschwerdung des Affen hing unter anderem damit zusammen, dass wir eine Sprache entwickelten und so miteinander kommunizierten. Diesen Prozess kehren wir gerade um: Wir degenerieren unsere Sprache(n). Und damit uns, liebe Brüder und Brüderinnen…

Seit 29. Februar 2012 gibt es “Das Wort zum MUTwoch” in der

Außerdem erscheint seit Dezember 2002 im “Oscar am Freitag” in der Lokalausgabe Gotha am jeweils letzten Freitag im Monat meine gedruckte Kolumne “Der Aschenbrenner hat das Wort”; die hier auch anschließend veröffentlicht wird.

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