Das Wort zum MUTwoch (67): Götterdämmerung (II)

51XKSYVDxIL._SY300_Rio Reiser besang ihn einst – den Juni-Mond. Doch der „König von Deutschland“ ist lange schon tot. Zudem animiert der Juni-Mond über Gotha weder Poeten noch Musiküsse. Sein fahles Licht dringt schließlich nicht einmal mehr durch jene düst’ren Wolken, die das Antlitz manches Residenzstädtlers verfinstern. Und alles nur wegen ParkScheingefechten, die eigentlich eher KommuniKatastrophen sind…

Seit mehr als einer Woche verfangen sich Argumente und Widerworte in den Maschen der sozialen Netzwerke. Mancher mag es für einen Sturm im Wasserglas halten, den die rund 1.400 in den Facebook-Gruppen „Residenzstadt Gotha“ und „99867 Gotha“ als Augenzeugen erleben. Aber es sind eben nicht nur „die üblichen Verdächtigen“, die sich dort zu Wort melden.

Auch ich gieße immer wieder gern Öl ins Debatten-Feuer. Deshalb, weil es eine Lust ist, auf diesem Wege Meinungen auszutauschen, anderer Leute Sicht kennen zu lernen.

Und mir macht diese kontroverse, offene Diskussion Mut. Deshalb, weil sie mich an eine verloren geglaubte Tugend erinnert: „Aufstehen. Und widersetzen!“ So lautete im wendischen Herbst 1989 ein überwältigendes Motto. Es animierte, endlich den aufrechten Gang zu üben.

Das taten dann überraschend viele. Sie mischten sich ein. Übernahmen Verantwortung. Übten echte Volks-Herrschaft aus. Doch schnell legte sich wieder – für mich unerwartet! – die Begeisterung, die so mühsam errungene Demokratie zu leben.

Sicher auch, weil uns allzu schnell mit (bundes-)deutscher Gründlichkeit und Routine diese ursprüngliche, geradezu anarchische Freude an der Mitmach-Gesellschaft ausgetrieben wurde. Diese Freude aber war es, wegen der wir uns mit dem identifizierten, was wir taten.

Jetzt (er-)wählen wir Volks-Vertreter, verleihen ihnen Macht auf Zeit. Das verleitet manchen dazu, sich allmächtig zu fühlen. Zudem beginnt die gefühlte Kluft vom „Wir hier unten und die da oben“ schon vor manchem Rathaus.

Genauso ist es in Gotha: Das Projekt des Einkaufs-Centers an der Gartenstraße –  sinnigerweise einst von TA-Redakteur Thomas Ritter als „Glitzerpalast“ tituliert – ist nicht Stuttgart21. Aber es steht symbolisch für die neue Qualität der Dissonanz in der kommunalen Kommunikation. Man versteht sich nicht mehr.

Einen ersten Schritt in die richtige Richtung gingen jetzt – wieder einmal! – die Bürger. Jene, die sich in der IG „Lebendige Innenstadt“ und dem Gewerbeverein versammeln.

runder_tisch23 Jahre ist es her, dass es zuletzt eines „Runden Tisches“ in Gotha bedurfte. Jetzt also ist es wieder soweit. Platz nehmen sollen dort Abgesandte der Stadtverwaltung Gotha, der KulTourStadt Gotha, der Wirtschaftsförderung der Stadtverwaltung, von der IG „Lebendige Innenstadt” und dem Gewerbeverein Gotha, den Stadtratsfraktionen und des Investors für die Residenzstadtgalerie.

Das ist eine wirklich gute Idee!

Ansonsten fällt mir nämlich nur noch eine ein. Die veröffentlichte Bertolt Brecht 1953 in den „Buckower Elegien“, als er in einem Gedicht schrieb:

220px-Bundesarchiv_Bild_183-W0409-300,_Bertolt_Brecht„Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“

Ich liebe Brecht!

Seit 29. Februar 2012 gibt es “Das Wort zum MUTwoch” in der

Außerdem erscheint seit Dezember 2002 im “Oscar am Freitag” in der Lokalausgabe Gotha am jeweils letzten Freitag im Monat meine gedruckte Kolumne “Der Aschenbrenner hat das Wort”; die hier auch anschließend veröffentlicht wird.

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