Gespachtelt, nicht gestrichen

Der Maler, Grafiker und Galerist Volker Grahn aus Tabarz (Landkreis Gotha), wurde am 8. Dezember 70 Jahre alt. Der Autodidakt, geboren in Wittenberge (Brandenburg), gehört zum Besonderen, das die Thüringer Kunstszene bietet. Ausdauernd, unbeirrbar, mit eigenem Kopf und Stil eroberte sich Grahn einen festen Platz. Eingeweihte und Kunstkenner schätzen zudem seine kleine Galerie am Fuße des Inselsbergs: Seit 15 Jahren ist sie Erfüllung eines Traumes und zugleich Platz fürs Andere, Nonkonforme, fernab des Zeitgeistes.

Der Wind zerrt an kahlen Zweigen. Verteilt gönnerhaft kalten Niesel über die menschenleere Straße. Weckt so den Wunsch nach Wärme, Sommer, blauem Himmel. Das alles – nur ein paar Schritte, wenig Stufen entfernt. Hinter einer Tür. Der zur „Galerie Grahn“ in Tabarz.

Was für ein Azur! Vom Bilderrahmen kaum zu bändigen, bläut es einem die Lust auf Meer ein. Auf Strand. Auf Arenshoop. Es ist so blau, dass man die Möwen schreien hört und das Rauschen der schwarzblauen Wellen. Es riecht nach Tang, und Fisch. Es ist das kreative Echo einer lang andauernden Liebe, einer Leidenschaft – der von Volker Grahn zu jenem Ort auf dem Darß, der ihm sein halbes Leben nun schon Muse ist.

 

(Repro: „Am Strand von Arenshoop/Darß“ – 2010, Öl, 75 cm x 75 cm)

Das besagte Bild entstand im Winter 2010/11. Damit es vollkommen austrocknet, ruhte es ein Jahr. Und wohl auch, damit Grahn es öffentlich zeigen kann. Er tut sich damit eher schwer: „Ich bin nicht sonderlich talentiert.“ Was bei anderen nach Koketterie klingt, ist Grahn pur: Zwei Seelen streiten permanent in ihm um die Vorherrschaft. Die des Künstlers UND die des Kaufmanns.

Der Kaufmann Grahn besitzt mehr Erfahrung. Jene aus 23 Jahren Gastronomie. 1985 hatte aber sein künstlerisches Alter ego das Gastgewerbe satt. „Es war Maldruck da“, erinnert sich Grahn. Der wird zunächst mit Schultempera auf Hartfaser abgearbeitet. Noch unbestimmt Technik und Handschrift. Dem Realisten, der er immer noch ist, war aber damals schon klar: „Wissend, das alles schon mal da war, geht man zunächst den Weg des geringsten Widerstandes …“ Grahn probiert sich aus. Doch eigenes künstlerisches Werk nährt den Mann nicht noch die Familie.

Aber er beherrscht ja die Kunst des Handelns! Deshalb versteht er sich dann auch aufs Handeln mit Kunst. Vor allem mit der anderer, Jener, die verfemt waren. Denen die offiziellen Galerien verwehrt blieben. „Dieses Milieu hat mich interessiert.“ Der Kunst(ver-)kaufmann Grahn ist damit erfolgreich. Auch geduldet, weil dem Staate über den grauen Markt so Dinge zukommen, die sich in Devisen ummünzen ließen.

Mit der ihm eigenen Beharrlichkeit, womöglich auch Sturheit, erkämpft sich Grahn in den Jahren seinen unverwechselbaren Stil. Nie besucht er eine Kunstschule, keinem Malzirkel gehört er je an. Aber von Künstlern wie dem Friedrichrodaer Werner Schubert-Deister oder dem Weimarer Hans Winkler lässt er sich inspirieren. Ohne sich prägen zu lassen.

Unverkennbar „Grahn“ sind seine Ölbilder. Er malt sie nicht, er spachtelt. Das macht diese Seh-Landschaften erhaben, verleiht ihnen eine weitere Dimension. Schicht auf Schicht wachsen die Bilder dem Betrachter entgegen, aus den schlichten Holzrahmen hinaus.

Grahns Collagen tun das sowieso. Er liebt sie geradezu. Auch dafür, dass sie schnell zu vollenden sind, „ist das Material gut, was man hat“. Wie etwa Müll vom Strand der Kanaren, zum Entsetzen seiner Frau Rena mitgenommen. Oder Reste von Sauerkrautplatten und seines DDR-Fernsehers, die er 1993 zu einem Triptychon komponiert. Das zeigt Grahn erstmals in seiner Geburtstags-Werkschau.

Der Tabarzer malt übrigens auf Fahnenstoff; gekauft im vorigen Jahrtausend. Für 25 Mark der DDR den Ballen. Davon hat er immer noch etliche liegen. Ausreichend „für den Rest des Lebens“. Es amüsiert ihn selbst, wie er das sagt. „Der Rest des Lebens …“ Der ist sicher rastlos wie bisher. Grahn wird sommers auf dem Darß sein und winters wüten. Mit Öl auf dem Stoff aus dem vorherigen Leben. Sich seine azurblauen Fantasien aus dem Leib spachteln. Schmetternde Farbfanfaren anstimmen. Immer und immer wieder.

Grahn ist technisch entschleunigt: Auf der alten „Olympia“ schreibt er immer noch die Infos zu den ausgestellten Bildern.

 

 

 

Die Ausstellung „Arenshooper Impressionen – Ölbilder, Arbeiten auf Papier, Collagen“ ist vom 20. Dezember 2011 bis 28. Februar 2012 in der „Galerie Grahn“ in Tabarz, Heinrich-Hoffmann-Straße 6a, zu sehen.

(Beitrag, für die OTZ geschrieben, dort am 12. Dezember erschienen)

11212 OTZ Grahn

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