Oscar-Kolumne: „Lasst doch der Jugend ihren Lauf!“

Selten habe ich mich so auf einen Wahl-Sonntag gefreut wie auf diesen und die Kommunalwahl. Warum?
Weil unglaublich viele junge Leute antreten – querbeet durch alle Parteien.

Sicher war es nicht immer leicht für sie, sich den Platz auf den Listen zu erkämpfen. Aber damit widerlegen sie charmant und souverän Vorurteile über „die Jugend von heute“.
Ich finde „diese Jugend von heute“ wundervoll!

Und absolut wahlbar. Ich werde deshalb meine Stimmen „streuen“, damit möglichst viele von den Jungen in die Parlamente kommen.

Mitte April verfolgte ich ein Duell der „jungen Wilden“ im „Londoner“. Mit dem allergrößten Vergnügen: Zum einen, weil kaum Partei- und Polit-Sprech zu hören war. Die Mädels und Burschen schienen allesamt Alfred Herrhausens wohl klügsten Satz zu kennen:
„Sage, was Du denkst, tue, was Du sagst und sei, was Du bist.“

Unbeschadet, dass Herrhausen Vorstand der Deutschen Bank war, ist dies ein Leitspruch, dem ich auch versuche zu folgen.

Zum anderen machten die kecken Kommunal-Kandidatinnen und –Kandidaten den Polit-Profis, die auch im Saale waren, etwas vor: Sie gingen pfleglich miteinander um, mit Respekt und voller Ernsthaftigkeit. Da stritt man in der Sache. Ideologische Totschlag-Argumente hörte man keine.

Über zwei Stunden schlugen Karolin Schulz und Felix Elflein, Christian Döbel und Peter Leisner, Felix Kalbe und Eric Labahn das Publikum in ihren Bann. Nur wenige stahlen sich aus dem Saal – sicher jene, die den fußballernden Bayern-Burschen bei der Pflichtaufgabe im Pokalhalbfinale gegen die Kaiserslauterer zuschauen wollten.

Keine Frage, ich wünsche uns allen ganz viele „junge Wilde“ in die Gemeinderäte und den Kreistag. Dann können sie sich beweisen, gern auch junge, wilde Politik machen.

Schwerer hingegen fällt mir am Sonntag der zweite Urnengang. Jener für Europa.

Ich werde wählen, keine Frage. Nur wen?

Anders als beim Abend im „Londoner“ verstehe ich in den meisten Fällen nicht, was mir die Kandidaten jener 24 Parteien, die in Thüringen antreten, sagen. Oder sagen wollen. Trotz Ost-Abitur, Studium an der Uni zu Leipzig und jahrelanger Wortdrechselei und Schreibtischlerei.

Ich bemühte in den letzten Wochen mehrfach den Wahl-o-maten. Und klickte mir einen schicken parteipolitischen Cocktail zusammen. Der ließ mich ratloser zurück als ich zuvor war: Mal waren meine Ansichten piratisch und zugleich sozialdemokratisch gefärbt, mal ökologisch einwandfrei gras„grün“ und im gleichen Moment links. Ich bin sogar liberal und konservativ zugleich …

Um der Wirrnis Herr zu werden, vertiefte ich mich in Wahlprogramme. Doch auch das erhellte kein bisschen. Viel zu vieles klang zu ähnlich: Da verschwimmen nämlich auch links und rechts, konservativ und grün-alternativ im abstrakten Polit-Sprech.

Und nun?

Ich habe meinen Frieden mit Europa geschlossen. Weil wir eines brauchen, das mal piratisch und zugleich sozialdemokratisch gefärbt, mal ökologisch einwandfrei gras„grün“ ist und im gleichen Moment links oder eben auch liberal und konservativ zugleich ist.

Jetzt suche ich mir nur noch das Gesicht, das den Aschenbrenner-Cocktail schütteln kann.

(Kolumne veröffentlicht im “Oscar am Freitag”, Ausgabe Gotha, am 23. Mai 2014)

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