Wort zum MUTwoch (80): Friedenstaube

Morgens läuft bei mir oft das „Frühstücksfernsehen“. Bevorzugt dürfen mich ARD und ZDF beim Wachwerden begleiten. Die Info-Dichte ist gut getimt. Alle 30 Minuten wiederholen sich Nachrichten und Themen. Eine halbe Stunde braucht man im Durchschnitt, um sein Frühstück zuzubereiten und es sich ohne Hast einzuverleiben.

So saß ich diesen Montag  vorm „Morgenmagazin“ des ZDF. Natürlich ging es um Syrien. Natürlich ging es um Obama. Natürlich war die Frage, ob und wann die Amerikaner ihr militärisches Hightech-Equipment einsetzen werden. Ganz seriös, ganz beherrscht, ganz ohne Emotionen.

Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dort eine unterschwellige Fiebrigkeit zu spüren, bloß nicht den ersten Schuss zu verpassen.

Frank Meyer, Moderator auf n-tv, schrieb dazu auf Facebook:

„Kann es sein, dass der Krieg um/in/wegen Syrien in den Medien inzwischen wie eine Sportveranstaltung gehandhabt wird? Na? Wann? Wann fällt das Tor? Ach, nicht schon? Nicht jetzt? Aber bald? Und da ist der Stürmer… Endlich! Ja… vorwärts.. (und das Tor erwartend). Könnte es sein, dass man innerhalb von 10 Jahren in der Breite der Bevölkerung nicht mehr zwischen Krieg und Frieden zu unterscheiden vermag und diese ganze ,Veranstaltung‘ so weit weg ist? Wie ein virtuelles Ballerspiel… Nur mal so gedacht…“

Der amerikanische Soldatenfriedhof in Colleville-sur-Mer
(Der amerikanische Soldatenfriedhof in Colleville-sur-Mer. Foto: ra) 

Stell’ Dir vor, es ist Krieg. Und es ist Krieg in Syrien. Schon lange. 100.000 Tote. 600.000 Syrer auf der Flucht.

Stell’ Dir vor, es ist Krieg. Und wir sind die ganze Zeit dabei. Haben uns daran gewohnt, dass in irgendeiner Ecke des Planeten gestorben wird. Selten aber sind es „Kriege“, wie Kriege einst waren. Im 21. Jahrhundert gibt es begrenzte Konflikte. Militärs wollen denen dann mit begrenzten Schlägen ein Ende bereiten. Und immer wieder sind die Folgen nicht zu begrenzen.

Wir westlichen Abendländler, die christlich-jüdischen Traditionen immer hochhaltend, fangen erst dann an zu murren, wenn „unsere“ Leute in Zinksärgen liegen und nach Hause kommen. Wer redet heute noch über Libyen?

Stell’ Dir vor, es ist Krieg. Und eigentlich ist ja auch keiner dafür. Aber was machen wir dagegen? Sind wir alle Friedenstaube, -blinde, -stumme?

Stell’ Dir vor, es ist Krieg. Was sagen wir unseren Kindern? Das wir eh’ nichts tun können? Das „die da oben“ das Sagen haben? So verlieren wir wieder ein bisschen unserer Unschuld und Glaubwürdigkeit.

Stell’ Dir vor, es ist Krieg. Zwischen zwei Sondermeldungen schämen wir uns. Ein wenig wenigstens. Uns zu Liebe.

Einen nachdenklichen Mittwoch allen.

Seit 29. Februar 2012 gibt es “Das Wort zum MUTwoch” in der

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