Das Wort zum MUTwoch (130): Kreuz haben. Kreuz machen. Oder Kreuz tragen.

Jüngst im „Londoner“. Kandidaten-Runde. Wahl-Matadore traten an, die am 14. September in den Landtag einziehen wollen.

Beobachtung Nr. 1:
Das Durchschnittsalter der Besucher solcher Veranstaltungen wächst alle 5 Jahre um 5 Jahre.

Aber: Das ist nicht unabänderlich. Das zeigte sich beim quicklebendigen Kandidaten-Kreis zur Kommunalwahl. Wenn wilde Junge den Sprung ins kalte politische Wasser wagen, wagen sich auch Jung-Wähler in solche Runden und letztlich zur Wahlurne.

Beobachtung Nr. 2:
Politisch Interessierte lassen in Sachen Kommunalpolitik nicht so schnell locker. Weil ihr Alltag ganz direkt davon betroffen ist: „Waffenlieferungen an Kurden? Hm, ich will wissen, was mich der Kanalbau in meiner Straße kostet…“

Das mag globalpolitisch kleingeistig wirken. Die Beantwortung der Kanalbau-Frage und der Umgang mit dem Bürger dazu macht aus ihm aber einen Homo politicus oder einen Homo Überdruss.

Beobachtung Nr. 3:
Genau aus dem Grund ist es wohl so schwer, grüne Lokal-Politik zu machen. Wer gegen Straßenausbau ist, hat gleich einen ganzen Ort gegen sich. Wer Windräder im dunklen Tann will, tritt nicht nur Waldbesitzern auf die Füße.

Nahezu allen anderen gehen Nachhaltigkeit, Energiewende & und Co. am Pops vorbei. Solange sie nicht im eigenen Vorgarten passieren. Das kann man beklagen. Das ist aber so. Und nicht nur in Deutschland.

Beobachtung Nr. 4:
Wer sich für Politik interessiert, der wird von Mal zu Mal wissender.

Deshalb verfangen schlichte politische Parolen nicht mehr: Eine linke „Millionärssteuer“ bringt ein bisschen mehr soziale Gerechtigkeit. Gefühlt allemal. Das wäre aber nur Kosmetik am bundesdeutschen Abgaben- und Steuersystem. Das grundsätzlich zu ändern, ist geboten, aber eine Mammutaufgabe. Eine, die nun wirklich nur in Berlin zu stemmen ist.

Beobachtung Nr. 5:
Welche Farbspiele auch immer derzeit Parteistrategen für mögliche oder unmögliche Koalitionen in Erfurt entwickeln – trotz Wahlkampfgeschrei sortieren sich Akteure vor Ort oft ganz pragmatisch zu „Koalitionen der Vernunft“.

Je näher dem wirklichen Leben, desto weniger „Politik“. Denn wer was ändern will, dem hilft kein Parteibuch und kein Parteiprogramm: Ist eine Schule marode, braucht man Mehrheiten, Vitamin B, öffentlichen Druck, persönliches Engagement, auch Bauernschläue oder „Rampensäue“, um ordentlich Kohle aus diversen Fördermittel-Bunkern zu ergattern.

Wer an diesem Mittwoch-Abend im „Londoner“ zwei Stunden Freizeit aufbrachte, ging schlauer heraus als er hereinkam. Selbst dann, wenn ihn oder sie KEINER der Kandidaten oder die eine Kandidatin überzeugen konnte. Denn Unwissen schützt vor Strafe nicht. Nicht mal bei Wahlen.

Übrigens: In elf Tagen haben wir wieder eine.

Eigentlich aber auch nicht.
Denn wir können nur wählen gehen – oder eben am Kreuz tragen, das andere für uns gemacht haben.

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