Von Gauklern, Professoren und Schweizer Armeemessern

Seit 20 Jahren ist Sabine Müller Gesicht, Stimme und Ideengeberin der VWA in Koblenz. Geboren 1971 und eine echte „Rheinländerin“, absolvierte sie einen typischen VWA-Bildungsweg. Zunächst fasste sie im Beruf Fuß und begann dann ihr Studium zur Betriebswirtin (VWA).

Den Berufsabschluss als Verwaltungswirtin in der Tasche, begann sie, im städtischen Kulturamt zu arbeiten. Dort landete Sabine Müller im Team von Organisatoren, das u. a. die ersten sieben Veranstaltungen jenes Publikumsmagneten, der heute „Internationales Gaukler- und Kleinkunstfestival“ genannt wird, dieses Jahr seine 28. Auflage erlebt.

Dann fügte sich Sabine Müllers Lust auf Neues mit einer Ausschreibung. Die Koblenzer VWA suchte eine Assistenz für die Geschäftsführung – mit der Perspektive, der damaligen Inhaberin Gerda Kaminski auf die Stelle nachfolgen zu können.

200 Bewerbungen gab es. Sabine Müller war am Ende die erste Wahl auch für den damaligen Studienleiter Prof. Heribert Bickel (1927 – 2010) und seinen Stellvertreter Prof. Heinz Kußmaul. Diese machten im Vorstellungsgespräch auf die Besonderheit der Spezies „Professor“ aufmerksam. Das seien sehr spezielle Menschen. „Kein Problem“, konterte keck Müller und verwies aufs Kulturfestival: Sie käme schließlich auch mit Gauklern, Fakiren und Künstlern aller Art klar.

Ganz gewiss war dies nicht das entscheidende Argument, weshalb die Wahl auf Sabine Müller fiel. Aber schlussendlich umschrieb sie schon damals ihre, ihr eigene Art des Umgangs mit (Mit-)Menschen: Sich einhören, einfühlen, einlassen und dann synchron und kollegial gemeinsame Ziele anvisieren.

Fünf Jahre war Sabine dann die rechte Hand der allseits hochgeschätzten Gerda Kaminski. Zunächst war ihr wichtig, selbst das Studium zu absolvieren, sozusagen eine intensive Produktschulung zu durchlaufen. Kurz bevor sie 2004 nach 34 Jahren auf dem Posten in den Ruhestand verabschiedet wurde, bekam Sabine Müller die Schlüsselgewalt. „Ich fand ein gut bestelltes Haus mit einem renommierten Dozententeam vor.“

Den steten Wandel begleiten – und gestalten
Die Koblenzer wie die anderen bundesweit agierenden Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademien sind seit nunmehr 100 Jahren von Studienstandards wie BWL, VWL und Recht geprägt.

Hier, am Zusammenfluss von Rhein und Mosel, setzte man aber schon beizeiten auf die Privatwirtschaft. Entwickelte daher für und mit Handwerk, Mittelstand und Industrie für die Qualifizierung deren Beschäftigter spezielle Angebote. Solche, wie das legendäre „Mittelrhein-Modell“. Seit den 1970er-Jahren meistern so Abiturienten drei Abschlüsse in drei Jahren: Sie machen eine kaufmännische Berufsausbildung im Unternehmen Ihrer Wahl, studieren an der VWA und können einen Auslandsaufenthalt mit einem Intensivsprachkurs Englisch absolvieren, an dessen Ende die IHK-zertifizierte Fremdsprachenkorrespondenten-Prüfung oder die LCCI-Sprachprüfung steht.

Gemeinsam mit dem ab dem Jahr 2003 berufenen Studienleiter Prof. Dr. Heinz Kußmaul setzte Sabine Müller umso mehr auf eine weitere Profilierung: Koblenzer Absolventen sollten verantwortungsbewusste, hochmotivierte und bestausgebildete Fach- und Führungskräfte sein. „Deshalb setzten und setzen wir auf Bewährtes, erneuern und erweitern aber stets unsere Studieninhalte und -methoden.“

Müller und Kußmaul haben über die Zeit immer wieder das Angebot auf Tauglichkeit geprüft und bei Bedarf erweitert. „Den immer schneller von statten gehende Wandel in allen Bereichen des gesellschaftlichen wie Berufslebens wollten wir nicht nur begleiten, sondern auch gestalten.“

Schon ihre Vorgänger Kaminski und Bickel hatten versucht, ihren VWA-Absolventen Zugang zu akademischen Weihen zu ermöglichen. Deshalb gingen auch Müller und Kußmaul ab 2004 auf diverse universitäre Einrichtungen zu. Zunächst ohne greifbare Ergebnisse. Das Führungsduo blieb aber zuversichtlich und an der Sache dran.

Doch erst nach der 2009 erfolgten Hochschulreform auf Grundlage des Bologna-Prozesses zeitigte dies Erfolge: Kooperationspartner wie die Hochschulen in Kaiserlautern und Koblenz sowie die Fachhochschule Meschede konnten gewonnen werden. Seither erweitern drei Bachelor-Studiengänge und einer zum Master das Portfolio – speziell auf die VWA-Absolventen zugeschnitten. Voraussetzungen dafür wurden auch in den „Standard“-Studiengängen geschaffen, weshalb Vorlesungen in Mathematik oder Statistik ebenso zum Programm gehörten wie solche zu Kommunikation und Präsentationstechniken. 2020 kommt dann noch Datenanalyse und SAP dazu.

In diese Ära fiel auch der Erwerb einer Immobilie. Zwei Jahre suchte Sabine Müller mit großem Engagement und Beharrlichkeit. Dann wurde das repräsentative Gebäude in der Emil-Schüller-Straße erworben, das seit 2013 Sitz der VWA Koblenz ist. So verbesserten sich nicht nur die Arbeitsbedingungen für das kleine, aber effiziente Team. Auch sparte man Mietkosten für Prüfungen, die nun nicht mehr zur Universität ausgelagert werden mussten.

Die VWA Koblenz 2030
Sabine Müller denkt heute schon weiter, viel weiter. „Dem Thema Digitalisierung müssen auch wir uns stellen.“ Sie prognostiziert, dass nicht nur Fachwissen, „das dramatisch anwächst“, nötig sein wird. „Was wir brauchen, sind Fachkräfte mit sozialer Kompetenz, die dieses Wissen mit emotionaler Intelligenz umsetzen können. Sie werden Schnittstellenmanager sein, die die von der Künstlichen Intelligenz produzierten Inhalte transferieren, indem sie das Personal, die Beschäftigten dafür sensibilisieren und begeistern können.“
Zukunft sei deshalb schon im Heute der VWA Koblenz verankert – wofür die Angebote in Mathematik, Statistik, Kommunikation, Präsentation oder Datenanalyse stehen. Geplant ist außerdem ein kompaktes SAP-Schulungsangebot.

Dennoch gelte beim Neugestalten, dass man Bewährtes erhalten werde. „Ich bin sicher, dass auch künftig unsere Studierenden noch mit exzellenten Dozenten vis-a-vis und ganz persönlich zu tun haben. Ich halte dies für ein unverzichtbares Markenzeichen und einen echten Vorteil unseres Angebots. Und wir werden auch nicht auf Abschlussprüfungen verzichten…“

In den kommenden Jahren möchte Sabine Müller die VWA noch viel enger mit der Wirtschaft verflechten. Eine stabile Basis dafür gestaltete man erfolgreich mit dem Örtlicher Beirat und dem Kuratorium, die sich aus Vertretern von Wirtschaft, regionaler Verwaltung und Politik sowie der VWA rekrutieren. „Wir sehen und verstehen uns als Dienstleister für die Wirtschaft, wollen unseren Part dazu leisten, dass Fachkräfte in den Regionen attraktive Angebote finden und nicht abwandern.“ Das gelänge am besten, wenn man antizyklisch arbeite: „Unser Studienmodell – Qualifizieren parallel zum Job – lässt sich für die Belange eines jeden Unternehmens anpassen. Auch das Präsenzstudium am Wochenende steht dafür. Wir setzen zudem weiter auf Generalisten. VWA-Absolventen sollten wie Schweizer Armeemesser sein – in allen Lebenslagen unverzichtbar, weil von größtem praktischem Nutzen.“

Müller spielt in ihrem Zukunftsszenario auch auf die Trumpfkarte „Alumni“ aus. Die möchte sie ebenfalls noch aktiver einbinden. „Beziehungen schaden nur denen, die keine haben“, zitiert sie ein beliebtes Sprichwort. „Mit unseren Informationsveranstaltungen und den Netzwerktreffen schaffen wir für unsere Absolventen auch über die Diplomfeier hinaus einen Mehrwert.“

Die ersten 20 Jahre liegen nun hinter ihr. Gut und gerne könnten es noch einmal so viele werden für die Geschäftsführerin der VWA Koblenz. Begeistert dafür ist Sabine Müller: „Mich motivieren die Menschen, die zur VWA kommen. Sie reifen durch ihr Studium zum Betriebswirt – Bachelor – Master zu Persönlichkeiten und ich darf sie dabei begleiten.“

(geschrieben als „Story des Monats“ für die VWA Koblenz, veröffentlicht am 13. September 2019)

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