Lasst doch der Jugend ihren Lauf…

Er ist der jüngste Bürgermeister in der Bad Emser Geschichte. Die reicht immerhin bis in die Römerzeit zurück, auch wenn erst 880 n. Ch. die ersturkundliche Erwähnung eines Dörfchens namens Ems erfolgte. Oliver Krügel, Jahrgang 1985, „also 34 Jahre jung“, war als Außenseiter gestartet – um dann in der Stichwahl mit 63 % auf dem Bürgermeisterstuhl zu landen. Ein spektakulärer Coup.

Die knapp 10.000 Bad Emser genießen es, dass ihr kleines Städtchen einen großen Bekanntheitsgrad hat. Der staatlich anerkannte Heilkurort war schon im 17. Jahrhundert ein berühmter Badeort. In Wilhelminischer Zeit durfte man sich sogar „Kaiserbad“ nennen. In diese Epoche fiel dann auch jene Depesche des deutschen Kaisers, die weltpolitische Bedeutung erlangte und seither nach dem Ort heißt, in dem sie verfasst wurde…

So traditionsbeladen und dann nimmt solch Jungspund das Rathaus im Sturmlauf? Krügel gibt sich bescheiden, er wäre eher wenig bekannt gewesen, als er seinen Hut in den Ring warf. In Fußballkreisen wird man gewiss anderes meinen: Zwölf Jahre lang mussten nämlich immer wieder 22 Mann auf dem Rasengrün nach seiner Pfeife tanzen, war er Schiedsrichter „bis in die höchste Klasse des Fußballverbandes Rheinland“ – und dies mit Leidenschaft, wie man offensichtlich hört, als er über jene Zeit spricht.

Indes dürfte sich aber sein regionaler Bekanntheitsindex dramatisch verbessert haben. Zum einen natürlich wegen des Einzugs ins Rathaus. Doch schon bevor der triumphale Durchmarsch gelang, hatte Krügel allerbeste Medienpräsenz. Der Mittdreißiger glänzte dabei mit fundiertem Wissen und einer ausgesprochen souveränen Art des Auftritts.

Am öffentlichen Interesse und an Krügels Performance hat sich nichts geändert. Immer noch bittet man ihn z. B. auf die Studiocouch vom DRF 1, dem privaten TV-Anbieter in der Region.

Nun also hat er es nicht mehr mit Ballartisten, sondern mit einer Stadtverwaltung und dem Gemeinderat zu tun. In dem war Krügel, der seit 2005 CDU-Mitglied ist, ab 2014 aktiv und seit 2017 Vorsitzender der CDU-Fraktion. Auch CDU-intern engagierte er sich, war zunächst Vorsitzender der Jungen Union des Gemeindeverbandes Bad Ems (2008-2010), dann ab 2014 stellvertretender Vorsitzender und seit Mai 2016 Vorsitzender der CDU Bad Ems.

Sein kommunalpolitisches Engagement scheint ihm daher folgerichtig: „Ich hatte schon immer Freude daran, Verantwortung zu tragen, gestalten zu können, Ideen zu entwickeln und mich auszutauschen.“ Im Berufsleben sei man da allerdings stärker limitiert, wo hingegen die Kommunalpolitik deutlich vielseitiger sei und mehr Spielraum böte.

Trotz seines starken kommunalpolitischen Engagements lässt er natürlich nicht ab von seiner eigentlichen Profession. Er arbeitet seit einiger Zeit bei der Medizintechnik-Firma Schyns in Bad Ems  im Vertrieb.

Zuvor hatte er nach der Mittleren Reife Industriekaufmann gelernt, sattelte dann von 2012 bis 2016 seinen Betriebswirt bei der VWA Koblenz drauf. Den Weiterbildungsmarathon krönte er 2017 mit dem Bachelor of Arts (B. A.) für Betriebswirtschaft – an der Fachhochschule Südwestfalen erworben, dem bewährten Kooperationspartner der Koblenzer VWA.

Warum alles in dualen Studiengängen? „Nun, in der Region kommt man einfach nicht an der VWA vorbei, wenn man sich weiterbilden will. Sie genießt einen guten Ruf.“ Zudem treffe man bei fast jeder Weiterbildung auf deren Absolventen. Auch in Krügels Arbeitsumfeld gab es solche Marken-Botschafter.

Außerdem wollte er nicht aus dem Berufsleben aussteigen und selbstverständlich zog auch bei ihm das finanzielle Argument, weiterhin sein Gehalt zu bekommen. Die Karriereleiter-Kosten via VWA und FH bestritt er übrigens aus eigenen Mitteln.

Was solch einen Weg ausmache? „Es gibt einfach keine bessere Verzahnung von Praxis und Theorie als dual zu studieren.“

Seit jener VWA-Zeit kenne er keine 40-h-Wochen mehr, was aber kein Problem wäre: „Ich war noch nie ein Mensch, der nach Ablauf der Zeit einfach geht und die Tür hinter sich schließen kann…“

Diese Einstellung dürfte ihm helfen, sein nun neu hinzu gekommenes Ehrenamt zu bewältigen. „Eigentlich müsste dies ein Vollzeitjob sein“, resümiert er die ersten Wochen im Rathaus. Das Arbeitsaufkommen selbst in einer eher überschaubar großen kommunalen Veraltung sei immens. „Aber da bin ich ja trainiert und leidensfähig“, meint er mit augenzwinkerndem Verweis auf seine VWA-Phase. Zudem habe er dort gelernt, als Netzwerker zu agieren. „Das ist eine unverzichtbare Eigenschaft, will man auf politischem Parkett bestehen.“

Sein wirtschaftswissenschaftliches Wissen aus jenen nicht so fernen VWA-Tagen sei ihm selbstverständlich auch im politischen Amt und Alltag von Gewinn. Kaufmännisches Denken würde in den Kommunen immer gewichtiger, bedeutsamer werden.

Trotz doppelter Belastung scheint er nicht bildungssatt zu sein. Im Gegenteil: „Ich bin ein Kandidat, der auch noch mit Mitte 40 seinen Master machen würde.“ Lebenslanges Lernen scheint für Krügel kein kommoder Slogan zu sein – er lebt es. Auch deshalb holt er sich im November frisches Wissen in Sachen Finanzen und Haushalt einer Kommune an der Kommunal-Akademie Rheinland-Pfalz e. V. in Boppard.

Die Balance zwischen Job und Ehrenamt habe er schnell gefunden. „Dabei half, dass mein Arbeitgeber Verständnis zeigt, was dieses Engagement betrifft.“ Bis auf einen gewissen Imagegewinn sehe er dabei aber keinen zusätzlichen Nutzen für Schyns.

Dass nun aber ein waschechter Bürgermeister dessen Kunden in der Region betreut, dürfte allerdings auch nicht von Nachteil sein.

(geschrieben als „Story des Monats“ für die VWA Koblenz, veröffentlicht am 29. Oktober 2019)

 

 

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