Wortdrechseleien: Zum Beispiel Hoeneß

Sind wir nicht alle ein bisschen Hoeneß? Wollen wir nicht alle ein paar Euro Steuern sparen?

Sie nicht?
Ich schon!

Jüngst war Thomas Gottschalk Schwatz-Gast bei Jauch im Ersten. Er und der Präsident des 1. FC Bayern sind dicke Freunde. Keine Frage, dass „Thommy“ seinen Kumpel raushauen wollte: Nicht ungeschickt drückte er auf die Tränendrüse. Der Uli habe doch Gutes getan, gespendet, so manche Not gelindert und Leid gemildert.

Genau so sehen es viele. Und nicht nur eingefleischte „Bayern München“­-Fans: „Mia san Uli!“

Hoeneß kann sich diese öffentlichkeitswirksame Mildtätigkeit leisten. Er hat’s ja schließlich.

Ob er die viele Kohle verdient, die er bekommt, steht auf einem anderen Blatt: Da ist die „HoWe Wurstwaren KG“ in Nürnberg. Sohn Florian führt deren Geschäfte. Ganz sicher zu Vaters Zufriedenheit: 4 Mio. Würstchen gehen schließlich jeden Tag
über die Laderampe. Großabnehmer ist z. B. Aldi Süd.

Diese „Original Nürnberger Rostbratwürste“ munden nur etlichen der 350 Beschäftigten nicht besonders, die sie herstellen. Nicht nur die „Zeit“ berichtete schon 2010 darüber, dass Hoeneß‘ Firma unter Tarif zahle, auf Zeitarbeiter setze und die Beschäftigte bei Nässe und Kälte arbeiten lasse. Man berief sich dabei auf die Gewerkschaft Nahrung
Genuss Gaststätten (NGG). Hoeneß wies damals mit markigen Worten die Vorwürfe zurück: „Wir leben in keinem Gewerkschaftsstaat, wo mir die NGG Vorschriften machen kann.“

Kann sein, dass Hoeneß tatsächlich ein ausbeuterischer Profit-Maximierer ist.
Kann sein, dass er die Spendierhose anhat, um sich eitel in der medialen Aufmerksamkeit zu sonnen.
Kann sein, dass er glaubte, seine Schweizer Zinsgewinne würden keinen interessieren.
Als es anders kam, verfiel er auf den Dreh mit der Selbstanzeige.

Was nix anderes ist als der Ablasshandel des 21. Jahrhunderts. Ganz wie ihn einst Johann Tetzel betrieb: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt.“ Schon zu Luthers Zeiten konnte man sich vor der höllischen Pein und dem
Fegefeuer freikaufen. Heutzutage von der Haft?

Hoeneß zahlt offensichtlich nicht gern Steuern.
Ich auch nicht.

Deshalb nicht, weil ich nicht verstehe, wofür ich welche Steuern zu entrichten habe: Da gibt es z. B. die Schaumwein-Steuer. Die hat Kaiser Wilhelm II. einführen lassen, um Schlachtschiffe bauen zu können. Um Deutschlands „Platz an der Sonne“ zu erobern
und seine blaublütige britische Verwandtschaft zu ärgern. Die Flotte ist 1919 bei Scapa Flow versunken, verrostet, deren Schrott wiederverwertet worden. Schaumweinsteuer bezahlen wir immer noch.

Ich will meine Steuererklärung auf einem Bierdeckel machen können.
Ich will wissen, wofür ich zahle.

Statt Hoeneß & Co. ganz legal die Chance zum Tausch Zaster gegen Knast einzuräumen, sollte die längst überfällige Steuerreform stattfinden.

Meine Hoffnung darauf ist allerdings so gering wie meine Chancen, in Steuersparparadiese auswandern zu können. Auch die Grünen wollen jetzt höhere
Steuern.

Und deshalb werden noch viel mehr den Hoeneß machen …

headerlogoSeit 1. Mai 2013 gibt es „Wortdrechseleien“ als Kolumne auf dem Regionalportal meinmarcus.de und in der gedruckten Ausgabe des Anzeigenmagazins „marcus“, das im Landreis Saalfeld-Rudolstadt erscheint.

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