Weimarer Mundart – von der Kunst des Kochens

„Wer nicht genießt, wird ungenießbar.“ Welch Zufall, dass dieses Bonmot ausgerechnet Friedrich Schiller zugeschrieben wird. Eben jenem Dichterfürsten, mit dem sich Weimar schmückt. Denn das Städtchen an der Ilm hat es mit Kunst und Kultur – auch mit der des Kochens. Die einen schwören dabei auf den Sterne-Fabbri aus dem „Anna Amalia“ im „Elephanten“. Andere hingegen folgen Petra Hermann.

Die führt allerdings kein Feinschmeckerlokal. Aber ihr Kosmos der Genüsse hat sogar 24 Stunden geöffnet. Das jeden Tag! Und er hat Gäste, die am anderen Ende der Welt leben. Es ist Petra Hermanns Blog „Obers trifft Sahne“. Den betreibt sie seit 2011, mit Hingabe, Energie und immer neuen Ideen rund um den guten Geschmack und das gesunde Essen.

Nicht die einzige Spielwiese, auf der sich die gebürtige Weimarerin austobt. Sie kochte sich durch diverse TV-Shows, schlug sich wacker bei der „Küchenschlacht“ und mischte sich unter die „Topfgeldjäger“. Petra funkt zudem auf „Kochblogradio“ Nürnberg.

2015 erfand sie dann den seither jährlich ausgetragenen „Cookingpokal“ – einen Wettbewerb für Thüringer Hobbyköche. Der war und ist ihr eine Herzensangelegenheit, „weil Kochen auch viel mit Kommunikation und Austausch zu tun hat. Genau das liebe ich“. Diese Aufgabe stemmte sie in den beiden ersten Jahren fast vollkommen alleine, suchte sich Sponsoren, organisierte die Vorentscheide und Finals. Ihr zur Seite steht von Beginn an Claus Alboth, der Patriarch des „Dorotheenhofes“ und weithin gerühmter Spitzenkoch. „Zunächst blühte das Ganze im Verborgenen, weil wir nur wenig öffentliche Wahrnehmung hatten.“ Dann hob die „Thüringische Landeszeitung“ (TLZ) diesen Schatz und seit vorigem Jahr ist die Mediengruppe Thüringen (MGT), zu der die TLZ gehört, mit im Gespann. Seither gehört der „ Cookingpokal“ zum „Besser Leben“ in Thüringen.

Von der Hand- zur „Mundwerkerin“

Auch wenn Kochen gern als Kunst gepriesen wird, braucht es dafür handwerkliche Fähigkeiten. Petra Hermann trainierte solche vor ihrer Karriere als Foodbloggerin, Kochpokalorganisatorin und Buchautorin auf ganz anderem Terrain: Sie ist nämlich Feintäschnermeisterin und Designerin. Gründete 1984 als Ein-Frau-Unternehmen die „Täschnerwerkstatt Hermann“, die nach der Wende zum Familienbetrieb auswuchs und als „twh weimar“ firmierte. Der war u. a. von 1994 bis 2001 alleiniger Produzent der Stewardessen-Taschen für die Deutsche Lufthansa AG. 2014, nach drei Jahrzehnten in Verantwortung, übernahm ihr Sohn Nicolai Ströhl das Kommando und führt das Unternehmen  erfolgreich auf neue Pfade.

Die Passion zum Kochen hatten Petra Hermann Mama Margot und erst recht die Großmutter eingebrockt. Weil jene „schöne Martha“ mit dem Kochlöffel das Herz eines Mannsbildes aus Schwäbisch-Gemünd namens August eroberte, war deren Küche schon sehr früh „international“ geworden.

Martha hinterließ zwar anhaltenden schwäbischen Einfluss auf Petra Hermanns Speisenfolgen, der weit über Spätzle hinausging. Ein Rezeptbuch aber führte sie nicht. Also kochte Petra dem Wohlgeschmack der Kindheit hinterher, auf ihre Art und Weise. Das ließ meist ein gänzlich neues kulinarisches Universum entstehen und so erklärt sich auch ihre Küchenphilosophie: „Ich möchte Traditionen dadurch bewahren, indem ich sie zeitgemäß auffrische.“

Keine Frage: Die schwere, sehr gehaltvolle deutsche „gutbürgerliche“ Küche ist legendär. „Schließlich hatten die Menschen in der Landwirtschaft, im Forst, in der Fabrik meist schwere körperliche Arbeit zu leisten. Da brauchte es Gehaltvolles.“ Die Zeiten seien aber vorbei. Soßen mit Mehlschwitze? Undenkbar. Suppen angedickt? Wo kämen wir da hin? Leicht, gesund, frisch, mit möglichst ausschließlich regionalen Produkten und überraschend soll sie sein – die „Thüringer Küche 2.0“, wie sie Petra Hermann vorschwebt, vorkocht und die Botschaft davon mit Ausdauer und Charme verbreitet.

Die sanfte Revolution auf Gas-, Elektro-, Ceran- oder Induktionsherd fällt umso leichter, da sich das Angebot an Zutaten dramatisch verändert hat. Selbst einst Exotisches wie Ingwer oder Pak Choi wachsen derweil in heimischer Erde, wenn auch unterm Treibhausdach. Diese neue Mannigfaltigkeit findet ihren Weg in viele Kochtöpfe – nicht nur bei Michelin- und Gault-Millau-Stars: „Es sind vor allem junge Köche, die so die traditionelle Thüringer Küche kreativ und erfrischend anders interpretieren. Das gefällt mir sehr!“

„Thüringer Küche 2.0“

Die „Küche 2.0“ à la Hermann ist aber auch eine nachhaltige Küche, die beispielsweise auch nicht an Innereien vorbeikommt. Vor einem halben Jahrhundert fanden die sich auf vielen Einkaufszetteln wieder. Hirn, Herz, Lunge, Leber und manch anderes, was heutzutage nur noch vom Hörensagen bekannt ist, gehörten wie selbstverständlich dazu. Nicht zuletzt, weil Fleisch teuer war und die Leute wenig Geld hatten. Das bedeutete, dass möglichst alles und restlos verarbeitet werden musste. Welch Kontrast zu unseren Zeiten des totalen Überflusses, der teils unmoralisch niedrigen Preise für Lebensmittel?!?

Übrigens: An einem dieser mündlich überlieferten, nur in der Erinnerung ihrer Geschmacksknospen lebenden Martha-Gerichte scheiterte selbst Petra. Schier verzweifelt sei sie an „Sauren Nierchen“ – ganz gewiss einem sehr speziellen Gericht, das lang schon aus der Mode gekommen ist.

Sie selbst lässt sich eher selten bekochen, geht kaum essen. Nicht, weil sie der Raffinesse anderer nicht traue oder einen Vergleich scheue. Vielmehr deshalb, weil sie selbst so viel Spaß am Kochen habe. Was anderen eine Last, sei ihr eben Lust.

Wer sich davon überzeugen will, braucht nur auf ihrem Blog „Obers statt Sahne“ zu stöbern. Dort geht es gänzlich undeutsch zu. Da werden nicht „Man nehme…“-Instruktionen wie Bauanleitungen für IKEA-Möbel bröckchenweise hingeworfen oder Befehle wie auf dem Exerzierplatz den Küchenfrischlingen erteilt. Die persönliche Ansprache und die wahrlich kinderleicht erklärte, anschauliche und verständliche Art, Rezepte zu vermitteln, macht Lesespaß – und Lust aufs Ausprobieren und Nachkochen. Der Autorin spürt man einfach auch da die Freude am Fabulieren an. Die konnte sie noch einmal in ihrem 2017 erschienenen Buch „Weimarer Mundart“ um ein Vielfaches steigern. Das ist beileibe kein bloßes Kochbuch, sondern ein Potpourri kleiner Skizzen über gebürtige und hinzugezogene Weimarer, die ihre kulinarischen Vorlieben offenlegen. Es sind kleine, sympathische Geschichten von einigen Leuten, die mehr und etlichen anderen, die weniger bekannt sind.

Kluge Frauen kennen Kompromisse

Daheim, der Gatte, sehe das mit der unbändigen Lust und dem Spaß am Experiment allerdings differenzierter, erzählt sie und lächelt milde dazu. Wähnten ihn Freunde und Bekannte im kulinarischen Paradies, so habe der auch schon mal gestöhnt: „Wenn ihr wüsstet…“ Denn während sie stetig Neues probiere, sei er der Traditionalist. Doch die kluge Frau lebt den Kompromiss, weshalb Parität am Wochenende herrsche: An einem Tag ist ihr Horst erster Testester neuester Kreationen, am anderen unterwirft sich Petra seinen Gewohnheiten und kocht konventionell.

Und wächst jemand in einem solchen Haus der Genüsse auf, so färbt das ganz gewiss ab und prägt den Geschmack – im besten Sinne des Wortes. Vor allem ihr Enkel scheint Petras Passion zu teilen. So hat sie ihn schon als laufenden halben Meter davon überzeugen können, mit am Herd Hand anzulegen. Ganz stolze Großmama, widmete sie daher Ihrem Jung-Beikoch eine eigene Rubrik in ihrem Blog – das „Junior Cooking“. Derzeit sei L. allerdings ein Pubertier, greife leider nicht mehr selbst zu Küchenmesser und Kochlöffel, sondern beschränke sich aufs Verspeisen der Leckerschmeckereien, die sie anrichte, zeigt sich seine Großmutter nach- und einsichtig.

Gut möglich, dass da dennoch die nächste Generation schon Kochlöffel respektive Tastatur bei Fuß steht, um „Obers statt Sahne“ oder den Cookingpokal in neue Sphären zu führen. Petra Hermann würde es freuen. Und ganz sicher manch anderen auch, der sonst jene „Weimarer Mundart“ schmerzlich vermissen müsste.

Mit diesem Dessert (Foto) gewann Karin Henning den „Cookingpokal“.
Weitere leckere Anregungen für gemeinsame Küchenabenteuer finden sich auf Petra Hermanns Blog: 
www.oberstrifftsahne.com

Süße Pasta–Nougat, Trauben, Mascarpone (4 Personen)
Nougat-Ravioli

Zutaten:
170 g Mehl
30 g Kakao
10 ml Olivenöl
2 Eier
1 Prise Salz
1 Eigelb zum Bestreichen

Füllung:
2 EL Nutella
25 g Holundergelee
50 g Florentiner (Gebäck), gehackt

Zubereitung:
Alle Zutaten zu einem geschmeidigen Teig kneten und in Frischhaltefolie im Kühlschrank ruhen lassen. Auf einem gut bemehlten Brett ausrollen und dann durch die Nudelmaschine geben.
Mit einem Dessertring Kreise von ca. 6 cm Durchmesser ausstechen. Auf die Hälfte der Kreise einen TL von der Füllung geben und den Rand mit Eigelb bestreichen. Jeweils einen anderen Kreis darauf geben und gut festdrücken, gegebenenfalls den so entstandenen Rand etwas verkleinern.
Die Ravioli in sprudelndes Zuckerwasser geben, Hitze etwas herunterschalten. Wenn die Ravioli oben schwimmen, herausnehmen und abtropfen lassen. Mit Puderzucker bestreuen.

 


 

Marinierte Trauben

Zutaten:

150 g Weintrauben, kernlos

1 TL brauner Zucker

Saft und Abrieb von einer Zitrone

1 Schuss Grappa

Zubereitung:

Die Trauben vierteln, die übrigen Zutaten verrühren und die Trauben marinieren.

 

Grappa-Creme Fraiche:

Zutaten:

2 EL Creme Fraiche

2 EL griechischer Joghurt

Marinade von den Trauben

1 EL Grappa

1 TL brauner Zucker

Zubereitung:

Alle Zutaten zu einer geschmeidigen Soße verrühren.

 

Cannelloni:

Zutaten:

1 Blatt TK-Blätterteig

200 g Mascarpone

2 EL Zucker

marinierte Trauben

2 EL gehackte, karamellisierte Walnüsse

2 EL gehackte Minze

Grappa und braunen Zucker zum Bestreichen

Zubereitung:

Vom Blätterteig einen Streifen von 1 cm Breite abschneiden und um einen Papierzylinder wickeln.

Bei 180 Grad 15 Minuten in den Backofen geben und goldbraun backen. Vom Zylinder runterziehen und abkühlen lassen.

Mascarpone glattrühren. Die Trauben, Minze, Zucker und Zitronensaft dazugeben.

Die Masse in die Cannelloni füllen und beide Enden in die gehackten Walnüsse tauchen. Mit Grappa bestreichen und mit braunem Zucker bestreuen und abflämmen.

Der Cookingpokal: www.cookingpokal.de

 

Fotos (alle © Petra Hermann):
Foto 1 – Petra H.
Foto 2 – Dessert (siehe Rezept)
Foto 3 – Sterneköchin Maria Groß gab sich zum 2017er „Cookingpokal“ auch die Ehre.

Foto 4 – Nicht nur gucken, auch kosten kann man das, was beim „Cookingpokal“ angerichtet worden ist.

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