Touristen-Tipp (1): Wandern in wirklich Wagnerianischer Wunderwelt

Nahe Eisenach recken sich die Hörselberge gen Himmel. Ihre artenreichen Pflanzen- und Tierwelt ist ein einzigartiges Naturschutzgebiet. Sie gelten aber auch als sagenumwobenstes Bergmassiv Deutschlands. Und dies schon, bevor 1842 bis 1845 Richard Wagner, von der Muse geküsst, seinen „Tannhäuser“ schrieb.

(Repro „Tannhäuser und Venus“, 1873, Otto Knille (1832-1898). Öl auf Leinwand, 269 x 283 cm)

Bayreuth. 165 Jahre später. Schöne und Reiche – an Geld und Einfluss – drängen auf den grünen Hügel. Es walhallat wieder: Richards Geist weht bei den Festspielen. Noch bis Ende August.

Wahre Wagnersche Inspiration findet aber auch, wer auf den 484 m hohen Großen Hörselberg steigt; leicht zu erreichen vom nördlich gelegenen Hastrungsfeld-Burla. Droben steht seit 1890 ein Schutzhaus für Wanderer, heutigentags eine gut besuchte Ausflugsgaststätte. Genießt man von hier den Panoramablick zum Thüringer Wald, kann dies schon zu großen Taten inspirieren.

Im Mittelalter hieß das Bergmassiv „Hörseelenberg“: Die Menschen konnten sich Naturphänomene wie Blitz und Donner nur mit Geistern und Dämonen erklären. Also rankten sich bald Sagen um die Hörselberge: Frau Venus, Ritter Tannhäuser, Frau Holle, Wotan, das Wilde Heer und die Getreuen Eckardt sind seither mit dem lang gezogenen Bergrücken aus Muschelkalk verbunden.

Wendet der Wanderer sich vom Gipfel des Großen Hörselberges beispielsweise westwärts, kommt er nach wenigen Wanderminuten zur „Venushöhle“. Dort, so berichten es die Überlieferungen, solle dereinst die heidnische Liebesgöttin Venus ihr irdisch’ Paradies errichtet haben. Der ganze erste Akt der Wagner-Oper spielt in der „Venushöhle“, diesem „mythischen Bordell des Mittelalters“, wie vor Jahren die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb.

Eher unromantisch, unscheinbar mutet die Höhle an. Nur beschwerlich findet sich durch eine viereckige Felsspalte von einem Meter Höhe und etwa einem halben Meter Zugang in die Grotte. Kaum mehr als ein Dutzend Menschen finden Platz. Das Loch sei fürchterlich ungastlich wegen seines glitschig-abschüssigen Inneren und der Myriaden von Mücken, schrieben 1974 Ingrid und Lothar Burghoff abschätzig in ihrem Brock-haus-Büchlein „Zwischen Kyffhäuser und Ettersberg“.

Doch nicht nur Wagnerianer lobpreisen die Venushöhle ob ihrer kulturpolitischen Bedeutung. So hieß es einst sprichwörtlich: „…der sitzt im Venusberg“ und meinte: Der lässt sich’s gut sein, mit allen Lustbarkeiten des Lebens und des Liebens.

Richard Wagner verwob nun für seinen „Tannhäuser“, seine fünfte Oper,
die Legende von der Venushöhle und jene vom Sängerkrieg auf der Wartburg. Dieses Werk, am 19. Oktober 1845 im Königlich Sächsischen Hoftheater in Dresden uraufgeführt, bewegte von Anfang an die Gemüter: So nahm die Kirche wegen der Kritik am Papst Anstoß. Folge: im katholischen Österreich kam die Oper erst spät zur Aufführung. Wagner schrieb mehrere Fassungen. Neben der Uraufführungs-Version gibt es eine spezielle für Paris. Hier ist die Venusberg-Szene um das „Bacchanal“, eine Ballettszene, ergänzt. Die wiederum sorgte auch für einen Skandal: Pariser Tradition war, frühestens im zweiten Aufzug das Corps de Ballett auflaufen zu lassen. Wagner aber hielt sich nicht an diese Gepflogenheiten.

Sein Werk bewog zum Beispiel Bayern-König Ludwig II., in Linderhof eine künstliche Grotte als Geburtstaggeschenk für sich bauen zu lassen. Dort ließ er sich auf Leinwand gemalte Szenen aus dem Hörselberg vorführen. Diese Szenen-Bilder konnten gewechselt werden – Ludwig II. hatte seinen Vorläufer des Kinos!

Wie dem auch sei: Selbst heutige Esoteriker haben die Höhle entdeckt. Einer von ihnen, David Luzyn, riet, „sich hineinzusetzen und hier längere Zeit, am besten die Abenddämmerung vom Sonnenuntergang bis zur Dunkelheit, zu verbringen. Dies ist die beste Zeit, um einen Zustand des inneren Gleichgewichts zu erlangen und vielleicht sogar die Anwesenheit bestimmter Naturgeister zu erspüren.“

Nun denn; spüren dürfte der Wanderer allemal seine Füße, die Ruhe. Und im schlimmsten Falle Mücken, die schon vor 36 Jahren die DDR-Schriftsteller-Ehepaar den wahren Wagner-Genuss vermiesten …

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