Pop-up-Restaurant in Weimar: Ein kulinarischer Quickie

Hinter Gittern. Da landen als erstes die Gäste von „sam & james“. Das ist, das war ein Pop-up-Restaurant – also quasi ein kulinarischer Quickie – in Weimar. Mit einem „Gin Mare“-Tonic als Aperitif. Der lockert ungemein die Stimmung. Und macht definitiv Appetit auf mehr – und Ungewöhnliches.

Ungewöhnlich ist dieses Entree im Tresorraum der einstigen Notenbank der DDR inmitten Weimars. Nicht gewöhnlich dazu das gastronomische Konzept, mit dem sich Sam Fadinger und Jürgen „Josh“ Hoffmann einen Traum erfüllen. Sie erweckten mit ihrem „Pop-up-Dining Room“ ein Restaurant mit wenigen Tagen „Lebenszeit“.

Ihr „Pop-up-Dining Room“, ein Restaurant mit wenigen Tagen „Lebenszeit“, folgt Projekten in den 1960er-Jahren in London oder Paris. Dort kann man bei einem der Pioniere dieser Bewegung, bei Jim Hynes im „Chez Jim“, heute noch dinieren. Gedacht waren diese „Pop-ups“ zunächst, um z. B. bei Festivals für Verköstigung zu sorgen. Nun geben sie Köchen Gelegenheit zum Experiment – bei überschaubaren finanziellen Risiko.

Fusion cooking

Sam Fadinger kannte diese unkonventionelle Gastronomie aus ihrer Heimat. Die Australierin lebt nun seit sechs Jahren in Weimar. Eines Tages kreuzten sich ihre und die Wege des stadtbekannte Caterers Jürgen Hoffmann. Bald darauf wohnte man im gleichen Haus. Beider Familien wuchsen zu einer WG. Nicht nur die Chemie stimmte, sondern auch die Lust am Genuss, am Kochen und Backen, am Dasein als Gastgeber.

„sam & james“ ist das gemeinsame Kind: „Das ergab sich von selbst: Joshs Infrastruktur und sein Personal sind die ideale logistische Basis für solch ein Experiment“, erzählt Sam, die das Projekt kulinarisch auf Kurs brachte. Was auf den Tisch kommt, war schnell klar: Die Gerichte sollten das Beste aus der asiatischen Küche mit der des Orients vereinen. Mit solchem „Fusion cooking“ war Sam aufgewachsen – Australien ist als Einwanderungs- eben auch ein Vielvölkerküchenland.

„sam & james“ bietet den beiden nun nahezu grenzenlose Freiheit. „Wir können uns hier austoben“, sagt Josh. „Wir haben keine Kunden, sondern Gäste. Und die laden wir quasi in unsere Wohnküche, unser Speisezimmer.“

Spielwiese in einer Notenbank

Ihre Spielwiese fanden sie mit „Vitamin B“, dank Joshs Beziehungen. Er kannte den Hausmeister der ehemaligen Notenbank. Sie ist immer noch – oder wieder – ein Hotspot in Weimar. Mindestens, seit März 2016. Seither macht die Heyge-Stiftung, die die gleichnamigen Alteigentümer gründeten, daraus einen Ort der Begegnung, der Kultur. Die Stiftung fand die Pop-up-Idee klasse und ließ – selbst für die zwei Wochen Laufzeit – den künftigen „Gastraum“ mit Farbe & Co. auffrischen.

Neben dem Lustfaktor für die beiden Macher sei dies aber auch eine willkommene Abwechslung für seine Köchinnen, hat Josh beobachtet. Kreativität ist gefragt und wird gefördert. Und die wiederum geht nicht ohne Kommunikation, was dem Team gut tue.

Begrenzt waren nur zwei Dinge – die Kapazität und die „Lebenszeit“ vom „Pop up“: Ersteres liegt daran, dass das einstige Vestibül der Bank zur Schank- und Genussstube wurde. Massive Tische und Bänke aus Holz bieten maximal 30 Entdeckerschmeckern Platz. Damit von Beginn diese gewünschte, besondere intime, familiäre Atmosphäre aufkommt, werden alle mit Handschlag und Namen begrüßt „und wir reden uns schon in den ersten 20 Minuten den Mund fusselig“. Um die Geschichte des Gemäuers zu erklären, die Idee des Restaurants – als „Warm up“ für den restlichen Abend.

Essen ist Genuss ist Kommunikation

Geredet wird dann auch bei Tisch. „Nur Deutsche sind dort still“, amüsiert sich die weltläufige Sam. Schließlich sei doch gerade Essen und Genießen der Stoff, aus dem die besten Gespräche erwüchsen. Damit das gelänge, platziere man auch die Gäste. Mische und mixe – der Kommunikation zuliebe.

Damit die im Fluss bleibe, teilen sich Josh und zwei weitere Kellner das Geläuf. Wobei: Kellnern ist eher Nebenjob. Sie sind Genussführer für die Wahl des Menüs für 25 Euro pro Nase. Das besteht entweder aus einer Weiße-Bohnen-Suppe mit Tomaten und Spinat, Harissa und Honig, dazu Ei und Kapern oder einem Salat von der Pomelo mit Garnelen, Zimt, Anis und Fenchelsamen als Vorspeise. Hauptgänge sind Kichererbsen mit gerösteten Gemüse und Piment, glasierte Entenbrust mit Sternanis, Honig und Orangen an gerösteten Süßkartoffeln, Thaispargel mit grünen Chilis und Zitronen-Salsa oder „spicy slow-cooked“ Lamm mit Aprikosen und Koriander, Couscous mit Granatapfel und eingelegten Zitronen mit Baharat. Verfeinern kann man das mit zwei Desserts sowie drei weißen und drei roten Weinen. Und sie sind Entertainer. Schließlich moderieren sie das Programm, für das einheimische Künstler ihr Können zum Besten geben. Sie mischen sich unter die Gäste, die sie selbst auch sind und sorgen dann plötzlich und überraschend mit ihrem Intermezzo für den nächsten außergewöhnlichen Moment.

Pop-up once more

Die Premiere scheint gelungen. Deshalb gab es auch eine dreitägige Zugabe zu dem geplanten Dutzend Terminen. Kein Abend, der nicht ausverkauft war. Kein Kunde, der klagte. Aber viele Gäste, die schon jetzt auf den nächsten Streich der Spontan-Speisen hoffen. Wann? „Im Herbst“ bleibt Josh vage. Ganz sicher wieder an einem ungewöhnlichen Ort. Davon hat’s in Weimar glücklicherweise viele.

(geschrieben für die AHGZ, die „Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung“, veröffentlicht online seit 16.3.17 und gedruckt in Ausgabe xx-2017)

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