Oscar-Kolumne: Wahlweise Weisheiten

130927 KOVon der SPD lernen, heißt siegen lernen.

Beweis gefällig? Merkels Wahl-Dominanz bestätigt Erkenntnisse der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. 2005 hatte sie eine Studie erstellt. Demnach machen die entscheidenden Last-Minute-Wähler ihr Kreuz nicht für Programmatisches, politische Ideen oder diverse „Wie funktioniert die Welt“-Erklärungen. Sie lassen den Bauch entscheiden. Machen ihren Frieden mit jedem, der vertraut scheint und dem man persönlich glaubt.

Und sie mögen weder Bettel-Posen, wie sie zuletzt die FDP um Kopf und Kragen brachten, geschweige denn Häme für Konkurrenten.

Wohl deshalb wehrte sich auch Merkel nie gegen den Spott- und Spitznamen „Mutti“. Beleg dafür, wie fix ihre Auffassungsgabe und wie analytisch sie ist.

Heutzutage werden es immer weniger, die in festen (Parteien-)Beziehungen leben. Früher entschied das soziale Milieu der Herkunft, die Konfession oder Weltanschauung darüber, welcher Partei man anhing. Und das meist ein Leben lang.

Heutzutage sind es immer mehr, die nach Emotionen und kurzfristiger Interessenslage entscheiden. „Nichts ist so beständig wie der Wandel.” Eine 2.500 Jahre alte Weisheit des Heraklit von Ephesus erweist eins ums andere Mal, eine um die andere Wahl ihre zeitlose Wahrheit.

Schon fast ein Treppenwitz der Geschichte, dass es ausgerechnet der damalige SPD-Bundesvorsitzende Matthias Platzeck war, der vor acht Jahren Merkels Aufmerksamkeit auf die Studie der Ebert-Stiftung lenkte. Und M. lernte ihre Lektion: Das zeigten Sätze beim Kandidaten-Duell wie: „Sie kennen mich.“ und „Wir sind einer Meinung, dass…“ Die sagte sie in die Kameras und zum Wahlpublikum. Dort sah man manche reflexartig nicken.

Klare Sache also: Von der SPD lernen, heißt siegen lernen.

Oder verlieren – wenn die Sozialdemokraten ihr Wissen ignorieren.

Ich hätte Petra Heß von Herzen gegönnt, wieder Berufspendlerin zwischen Thüringen und der Bundeshauptstadt sein zu dürfen. Doch es kam anders – obwohl sie Klassenbeste der Thüringer SPD war. Wie schon 2009.

„Der Mensch zählt“, warb sie für sich. Den Menschen Heß schätzten die Wähler auch mehr als ihre Partei. So holte sie 25 % Stimmen, damit ein Drittel mehr als die Thüringer Sozialdemokraten. Die stürzten auf 16,1 % ab. Nur 1990 waren sie noch bedeutungsloser.

An diesem Desaster hat Matthias Machnig seinen Anteil. Die miese Mitnahme-Mentalität des Ministers erzeugte öffentlich Furor, machte den einstigen Hoffnungsträger zum Stolperstein und kostete wichtige Sympathie-Prozentpunkte.

Die wiederum fehlten Heß, um wenigstens alternativ von Platz 4 der Thüringer Landesliste die Rückkehr ins Reichstags-Gebäude zu schaffen. Das erregte am Abend auch SPD-Kreis-Vize Uwe Walther: In Thüringens SPD lohne sich Leistung nicht, schrieb er auf Facebook. Das „Prominenten“-Trio vor Heß – Carsten Schneider, Iris Gleicke und Steffen-Claudio Lemme – hatte 2009 in seinen Wahlkreisen deutlich schlechter abgeschnitten als die Crawinklerin.

Das ist richtig.

Aber nur die halbe Wahrheit.

Es gibt nämlich noch einen weiteren Grund: Den lieferte Walther selbst. Er managte die Wahlwerbetour für Heß. Dazu gehörte u. a. die „Danke Tankred“-Kampagne. Der Videoclip fand mehr als 15.000 Zuschauer in den sozialen Netzwerken, lief im Kinovorprogramm. Mit Konkurrent Sch. und seinen Positionen zu verschiedenen Fragen wurde nicht gerade zimperlich umgegangen. Und nicht nur in diesem Clip.

Ironie ist aber ein zweischneidiges Schwert.

Nicht jeder versteht sie.
Und dann geht so etwas nach hinten los.
Was bewiesen wurde.
Und wie Walther hätte wissen können …

(aktualisierte Version der Kolumne im September-„Oscar am Freitag“)

Seit 29. Februar 2012 gibt es “Das Wort zum MUTwoch” in der

Außerdem erscheint seit Dezember 2002 im “Oscar am Freitag” in der Lokalausgabe Gotha am jeweils letzten Freitag im Monat meine gedruckte Kolumne “Der Aschenbrenner hat das Wort”; die hier auch anschließend veröffentlicht wird.

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