„Oscar“-Kolumne: ScheinHeiligAbend

Ganz ehrlich: Mir geht der ganze Weihnachts-Trubel auf den Sack! Hoho! Dabei bin ich nicht einmal Single. Von denen bekommen angeblich zwei Drittel wegen des Boheys um den Heiligen Abend Brechreiz. Das besagte eine, bei uns Deutschen so beliebte, wie völlig überschätzte Umfrage.

So schlimm ist’s bei mir nicht. Aber Stress ist’s schon, wenn man monatelang bei jedem Gespräch mit seinen Lieben auf Signal-Wortketten wie „Ach, das ist aber hübsch …“ oder „Oh, so etwas hätte ich auch ganz gern …“ achtet. Weil zudem zunehmendes Alter abnehmende Gedächtnisleistung bedeutet, sowie „Aschenbrenner“ und „Alzheimer“ ’ne Menge Buchstaben gemeinsam haben, notiere ich mir – möglichst unbemerkt – solche Begehrlichkeiten auf meinem Schlachtplan zur Wunschbefriedigung. Und dem Einzelhandel sei Dank kann niemand den Startschuss für den kollektiven Kaufrausch verpassen: Ab Ende September holen Lebkuchen und Schokoweihnachtsmänner selbst solche Alltags-Aliens wie mich aus ihrem eigenen Raum-Zeit-Kontinuum.

Gut finde ich es zudem, dass man in Gotha nur behutsam den Schneeflöckchen ans weiße Röckchen geht. Zum einen schaffen Frau Holles Heerscharen mildtätige Sichtblenden für Hundescheiße und anderen Dreck. Wer sich außerdem aufs historisierenden Pflaster wagt, bildet nebenher seinen Body. Schneematsch hat einen phänomenalen (Aus-)Gleitfaktor, weshalb beim Gleichgewicht haltenden, vorsichtigen Vorwärtstasten untere Rücken- und Bauchmuskulatur prächtig konditioniert werden. Um nicht auf den harten Boden Gothaer Tatsachen geholt zu werden, muss man(n wie frau!) nicht nur bildlich den Arsch zusammenkneifen. Das trainiert obendrein den Beckenboden. Indirekt also ein Beitrag für unverzagt Vermehrungsfreudige oder jene, die Weihnachten nicht nur wegen Vögeln in der Backröhre gut finden.

Wer ausrutscht, darf außerdem noch mal. Zum Beispiel auf den Gothaer Weihnachtsmarkt gehen. Den diesjährigen fand ich große Klasse. „Süßer die Glocken nie klangen …“, weil der Markt so dezent war. Sonst wird einem mit solch Pseudo-Volksschmusimusi das Trommelfell über die Ohren gezogen. Diesmal hatten aber Ton-Terroristen dank (schiefel-)beinharter Auflagen keine Lizenz zum Tröten. Und wie übersichtlich der Markt war! So brauchte ich keinen allzu großen Bogen machen, um keinem der Weihnachtsmützen tragenden Jahresend-Enthusiasten über deren glühweinseligen Weg zu laufen. Selbst die Beleuchtung gefiel mir! Die bunten Lichter-Misteln in den Bäumen wirkten irgendwie weltmännisch, überzogen Gotha mit einem feinen Glanz, erinnernd an New York, London oder Paris.

Tja, wenn man es so betrachtet, ist Weihnachten eigentlich gar nicht so schrecklich, oder? Und im Grunde tauge nicht einmal ich zum Grinch, dem legendären Weihnachts-Widerling. Schenken macht doch eigentlich ’ne Menge Freude, oder?

Und sooo übel war der Grinch nun auch wieder nicht.

Sie können sich selbst ein Bild machen! Die US-amerikanisch-deutsche Fantasykomödie von Ron Howard aus dem Jahr 2000 kommt sicherlich in ihrer x-ten Wiederholung dieser Tage in einem der „Wir-sind-ja-so-was-von-besinnlich-und-haben-uns-deshalb-alle-so-furchtbar-lieb“-TV-Programme: Der Grinch (gespielt von Jim Carry) ist ein grünhäutiger Knilch – nicht zu verwechseln mit grünblütigen Vulkaniern (Achtung: Das war ein Insider-Witz für Trekkies!) Griesgram Grinchilein wohnt allein in einer Berghöhle. Als Kind machte er üble Erfahrungen mit Weihnachten. Deshalb wurde er so etwas wie Don Quichotte: Bekämpft das, was sich eh nicht mehr verhindern lässt. So klaut er, verkleidet als Weihnachtsmann, die Geschenke der Einwohner des nächst seiner Höhle gelegenen Kaffs Whoville. Die kümmert’s aber einen Kehricht und sie feiern trotzdem Weihnachten.

Schnuckelchen Cindy Lou Who (Taylor Momsen) toppt das noch und macht konsequent auf Nächstenliebe. Wohl auch deshalb, weil die 17-jährige damals noch keine aufgepumpten Brüste und schwimmreifendicke Lippen hatte, kriegte sie den Grinch ’rum. Der beerdigt deshalb liebestrunken seinen Weihnachtsfrust, gibt die Geschenke zurück. Und egal, ob sie nun gestorben sind oder nicht …

… ist in 372 Tagen schon wieder Heiligabend!

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