Oscar-Kolumne: Populistisches

Es ist 2017. Und wir feiern einen Populisten.
Der soll vor 500 Jahren, am 31. Oktober, ein Blatt mit 95 Thesen an eine hölzerne Tür genagelt haben. Das war der Anfang vom Ende der Alleinherrschaft der katholischen Kirche, des Papsttums, wie man es seit mehr als einem Jahrtausend kannte.
Was als reine Religionskritik gedacht, erfasste die Massen. Das Volk. Dem man „aufs Maul“ schauen sollte, so Luther. Nach dem Munde redete er ihm dennoch nicht. Und deshalb ehren wir ihn als großen Reformator.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass er bekannt war für seine Intoleranz gegenüber Andersdenken. Deshalb bekämpfte er sein Leben lang das Judentum, weil es für ihn eine „falsche“ Religion war.

Es ist 2017. Und wir sind entsetzt – oder begeistert – von einem Populisten.
Einem, der schon 1990 sicher war, dass er Präsident der USA werden wird. Die erste Woche von Donald, dem TRUMPhiator, im Weißen Haus geht ganz gewiss in die Geschichtsbücher ein.
Der neue POTUS ist bekennend chauvinistisch, rassistisch, sexistisch und greift ins Weltgetriebe, als ob es kein Morgen mehr gibt. Als ob ihm der Laden gehört. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Dafür wird er allerdings auch gefeiert. Endlich macht mal einer was. Endlich zeigt einer Stärke. Endlich schafft einer alternative Fakten.
Worauf ich gespannt bin: Falls er nach dem asiatischen Freihandelsabkommen TPP nun auch das transatlantische mit uns Europäern annuliert – erklären die TTIP-Gegner mit ATTAC & Co.-, Grünen-, Linken-, und Öko-Hintergrund ihn dann zum Freund?

Es ist 2017. Und im September haben wir die Wahl.
Schon jetzt finden die von ganz Rechts mit denen von ganz Links kleinste gemeinsame Nenner. Klingt es zuweilen deshalb nach Frauke Wagenknecht und Sahra Petry.
Doch auch dort, wo gewöhnlich die politische Mitte ist, seehofert es obergrenzwertig oder mäandert SPD-Erzengel Gabriel in immer größeren Schleifen um sozialdemokratische Grundwerte herum. Ausgrechnet Alt-Bundeskanzler Schröder bescheinigte ihm, er sei deshalb ein „demokratischer Populist“. Jener Schröder, der zum Start seiner Kanzlerschaft 1999 sagte, er brauche zum Regieren nur „BamS, BILD und die Glotze“.

Es ist 2017. Und Gotha die Insel der Glückseligen.
Allgemein wird Politikern nachgesagt, sie widmen sich der Außenpolitik, wenn im Lande alles zum Besten steht und es nix mehr zu tun gibt. Falls das auch für die kommunale Ebene gilt, streben wir paradiesischen Verhältnissen entgegen – angesichts oberbürgermeisterlicher Faible für strickschicke, royale Socken, für tolles Trachtentreiben, das Schreiben von Theaterstücken und Büchern, seinen Tête-à-Tête mit dem europäischen Hochadel und ordnungspolitischen Rufen in Sachen Öffentlicher Nahverkehr.

Es ist 2017. Und wir alle sind Populisten.
Einer davon steckt nämlich in jedem von uns. Weil die wenigsten Menschen auf Krawall gebürstet sind. Weil wir es mögen, wenn alles sicher, sauber, schön ist; seinen geregelten Gang geht.
Weil wir – wird es kompliziert und unübersichtlich – gerne der Stimme aus dem Navigationssystem folgen, dem im Auto und dem der Politik.
Weil selber Denken so anstrengend ist.

Aber deshalb sollten wir damit dringend anfangen.

(überarbeitete Kolumne, veröffentlicht im “Oscar am Freitag”, Ausgabe Gotha, am 27. Januar 2017)

1 Comments

  • Stark (#)
    07.02.2017

    Wer war Luther wirklich – ein Populist ?
    Ich glaube wirklich es wirt zu viel Rummel um diesen Bruder Martin gemacht.
    Alles nur Vermarktung und Geschäftemacherei.
    Luther war aber auch ein Ängstlicher. Jede Menge Angst hat er gehabt vor dem was er gemacht hat.
    Aber besonders viel Angst hat er ja vor dem Teufel gehabt. Aber es hat ihm so angestunken was da in der Kirche so abging und so hat er seine Backen zusammen gekniffen , Nägel, Hammer und seine 95 Thesen genommen und sie an die Kirchentür genagelt.
    So da ist nun unser neuer Fahrplan – das ist mein neues DOGMA.
    Vielleicht wäre Luther heute sogar AfD-Chef ?
    Ich habe sehr viel über Luther gelesen. Auch viele Schriften welche verschwunden sind- von Leuten denen sie unbequem ja gefährlich waren. So wurde auch von vielen Seiten jede Menge Material unter dem Teppich gekehrt oder kam noch auf dem Scheiterhaufen
    So hatte ich vor Jahren großes Glück Kopien von Briefen seiner Kinder, besonders seines Sohnes Paul einsehen zu können.
    Daher konnte ich mir ein sehr gutes Bild über diesen Menschen Machen zu können.
    Aber fehlt es in diesen Tagen nicht noch mehr an solchen Menschen die sich gegen erhöhte Abgaben und sonstige Abzockerei auflehnen.
    Aber viele Menschen wissen ja gar nicht so richtig was dieser Herr Luther so gemacht hat und was er eigentlich war. So wurde ich in Eisenach auf dem Karlsplatz von einer Schar Damen gefragt welche einen Stadtrundgang machten, ob der Herr Luther wirklich Doktor war und wo er seine Srechstunden abgehalten hat !!!!!!!
    Soweit meine Ausführungen hierzu !

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