Oscar-Kolumne: Mit links gemacht

Der 27. Oktober. Morgens hatte ich den druckfrischen „Oscar“ im Briefkasten, amüsierte mich über erste Reaktionen auf Facebook auf „Luthers Nagelarbeit“, meiner spitzzüngigen Kolumne. Der Tag fing also gut an.

Nachmittags schielte Klärchen ums Eck. Ich hatte vom Wortdrechseln die Faxen dicke, brauchte Frischluft. Scheselte meine Radklamotten an – Männer in Radlerhosen sind soooo sexy! – behelmte mich und trat in die Pedale.

Radfahren entdeckte ich für mich wieder ­– nach ’nem Blick auf die Waage und in den Kalender: Im Frühjahr darf ich meine Jüngste zum Traualtar führen. Und da ich – wie mein Großvater Erich – „ein eitles Mannsbild“ bin, stand fest: Der Speck muss weg. Zwei Anzugsggrößen waren das Ziel.

Kein Vierteljahr später und nach rund 1.500 km über alle Radwege im Landkreis war ich dem Ziel näher – 15 cm weniger Bauchumfang hießen, dass ich dramatisch die Gürtel enger schnallen musste. Auch die Waage zeigte sich erleichtert, näherte sich der 80-kg-Grenze – von oben.

So motiviert, startete ich meinen Rundkurs. Aufm Rückweg musste ich im „Lindenhof“ einen Akku für meine Kamera abholen. Den hatte ich unlängst beim Termin vergessen.

Damit fing das Drama an: Eigentlich meide ich öffentliche Straßen wie der Deibel das Weihwasser. Autofahrer wissen nicht, was sie Radlern antun, passieren sie sie haarscharf und mit 50 Sachen. Nur einmal bin ich so in den Straßengraben gekickt worden, blieb unverletzt. Das genügte mir aber, NIE ohne Helm ausreiten.

Gadollastraße. Mich überkam ein menschliches Bedürfnis. Das aktivierte die letzten Körner. Zudem ging es leicht bergab. Ich hatte das sichere Daheim und das stille Örtchen schon vor Augen. Da traf mich der Schlag – und ein schwarzer Sternekreuzer aus der Nebenstraße.

Meine Stunt-Einlage beeindruckte. Die Flugphase hätte in der B-Note eine 9,5 verdient, sagte ein Zeuge. Die Landung auf dem Boden Gothaer Realität war indes hart. Ich brauchte eine Weile, meine sieben Sinne zu sortieren. Dann ging es mit Tatütata zum grünen „H“.

Die Helios-Checker fanden drei gebrochene Rippen rechts und einen Knacks der rechten Elle. Dafür gab’s Gips – und folgend ein Leben mit links.

Das klingt lustig, ist es aber nicht. Spätestens bei der Körperhygiene oder auf dem Ort, wo selbst der Kaiser zu Fuß hingeht, merkt man schnell, dass sich Muttern Natur was dabei dachte, uns zwei Griffel wachsen zu lassen: Socken anziehen, Haare waschen, Fleisch schneiden, Kartoffeln schälen, Bett beziehen, Schuhe zubinden… – die Liste der Dinge ist lang, die mich völlig neue Technologien entwickeln ließen, um Erfolg zu haben.

Solche Zwangspause mag manchem – abgesehen vom Unbill der ungeschickten, untrainerten Einhändigkeit – gelegen kommen. Mich als Freiberufler kostet sie weit mehr als nur Nerven.

Inzwischen fanden die Radiologen am Ekhofplatz zudem doch noch einen lädierten Mittelhandknochen und einen weiteren Bruch in der rechten Elle. Das verschafft mir weitere drei Wochen das zweifelhafte Vergnügen, ein einarmiger Bandit zu sein.

Mein allergrößter Trost dabei ist: Wortdrechseln kann ich dank Diktierfunktion, Tastatur-Einhandbedienung + zeigestockartig genutzten rechten Mittelfinger so lala.

Und deshalb haben Sie vor sich auch die erste Kolumne im „Oscar am Freitag“, die mit links gemacht worden ist…

Tada!

(Kolumne, veröffentlicht im “Oscar am Freitag”, Ausgabe Gotha, am 25. November 2016)

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