Oscar-Kolumne: Lauras Leiden

Laura ist 14 Jahre. Sie wollte für einen Freund etwas ganz Besonderes tun. Als Beweis ihres Vertrauens. Das Mädchen filmt sich in intimer Situation. Dieses Video schickt sie ihm. Der behält aber das kleine, süße Geheimnis nicht für sich. Er teilt es mit anderen. Via WhatsApp. Und dann wird Laura gemobbt.

Zu lesen ist die ganze dramatische Geschichte über den „pubertären Irrsinn in Zeiten der Sozialen Medien“ in der ZEIT-Ausgabe Nr. 26 – und auch auf deren Homepage.

Jana Simon schrieb über Laura und das schier endlose, unbegreifliche Elend, das auf eine wirkliche „Jugendsünde“ folgte. Einfühlsam. Eindringlich. Ratlos auch und entsetzt.

Laura ist kein Einzelfall. Lauras gibt es nicht nur in Großstädten. Lauras kommen aus den sogenannten „guten Kreisen“. Sie sind aber auch Kinder aus dem ganz anderen Milieu. Dem prekären, dem bildungsfernen – oder wie auch immer beschönigend-beschämt „Unterschicht“ etikettiert wird. Lauras leben also auch in Gotha, Ohrdruf und meiner, Ihrer Nachbar- und Bekanntschaft. Und es sind nicht nur Mädchen, die in solchen Höllen landen.

Manche ertragen das dann nicht.
Manche nehmen sich das Leben.

Lauras Geschichte offenbart eine neue Form von Ohnmacht, die über Kinder, Jugendliche und ihre Eltern kommen kann.

Lese ich von den Lauras dieser Welt, bin ich in solchen Momenten froh, dass meine Töchter lang schon erwachsen sind.

Denn was kann man machen?

Kontrollieren, was die Kinder tun?
Diese Generation ist den meisten von uns um Lichtjahre mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten an Smartphone, Tablet & Co. enteilt. Sie begeistern sich an den schier unendlichen Weiten des Internets, den unglaublich kreativen Möglichkeiten, die die digitalen Welten bieten. Kontrolle nicht möglich.

Ihnen das technische Spielzeug verwehren?
Diese akkubetriebenen Tag- und Nachtbegleiter sind ihre (Über-)Lebensmittel in Sachen Kommunikation. Ihr Ersatz für Poesiealben, Baumhäuser, versteckte Parkbänke, Eisdielen. Ihr soziales Netzwerk. In dessen Maschen sich manche eben auch verfangen.

Ob wir das wollen oder nicht. Ob wir das verstehen oder nicht.

Schon 12-Jährige werden zu Außenseitern – ohne kleinen digitalen Kumpel. Weil sie nicht mit kryptischen Kürzeln und Smiley-Kaskaden zum WhatsApp-Klassen- oder Cliquenchor beitragen: Nicht online sein ist eine andere Art von tot sein.
Verordnete Abstinenz will wohl bedacht sein.

Was also geht?

Ich habe keine Ideallösung.

Ich erinnere mich aber an Fährnisse, denen meine Töchter ausgesetzt waren. Mit 14 bei Freundinnen übernachten? Was, wenn sie Alkohol trinken, Pornos gucken? Mit 16 mit dem Motorrad fahren? Und wenn sie unaufmerksam sind? Oder andere?

Vertrauen half. Solches, das die Mädels spürten, weil es echt gemeint war. Vertrauen muss man sich hart erarbeiten. Weil es – manchmal auch unabsichtlich – so schnell verspielt ist. Nicht geklopft, ins Teenager-Zimmer gestürmt … – das ging damals nicht. Das geht auch heute ebenso wenig. Erst recht nicht, der Kinder Handy oder PC zu „knacken“ und zu schnüffeln.

Reden hilft. Zuhören noch mehr. Dafür muss man sich Zeit nehmen. Davon kann man gar nicht genug mit seinen Kindern verbringen. Weil sie irgendwann flügge werden. Und fort sind.

(Foto: Anne Garti/pixelio.de)

(Kolumne, veröffentlicht im “Oscar am Freitag”, Ausgabe Gotha, am 25. Juli 2014)

 

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