Oscar-Kolumne: Krieg dem Palast, Friede mit den Hütten

Geht alles gut, trägt Ende 2017 der Investor Josef Saller seinen Bauantrag ins Gothaer Rathaus. Geht alles seinen amtlichen Weg, rücken im Frühjahr 2018 die Bagger in der Gartenstraße an. Und klappt das Buddeln, kaufen die Innenstädter ihre 2019er Weihnachtsgänse, das Rotkraut und die obligatorischen Klöße im neuen Supermarkt.

 

Dann endet eine „Unendliche Geschichte“. Die begann vor 88 Monaten, als TA-Mann Thomas Ritter aus Gerüchten Gewissheit machte: Ein Einkaufszentrum komme zwischen Garten- und Moßlerstraße. Angemessen der großartigen residenzstädtischen Geschichte Gothas. Diese 16.000 m2 Konsumtempel-Pracht nannte Ritter wortmalerisch „Glitzerpalast“.

Nun stehen Großprojekte in Deutschland unter keinem guten Stern. Die Hamburger, die Berliner, die Stuttgarter singen ein Lied davon. Auch Gotha hatte schon eine „Jahrhundertbaustelle“. Ältere Semester erinnern sich: Zum Ende des vorigen Jahrtausends wurde die Waltershäuser Straße gebaut. Und gebaut. Und gebaut …

Jetzt also die Gartenstraße. Endlich. Das Areal zwischen Suttnerplatz, Remstädter und Moßlerstraße hatte schon 2010 seine besten Jahre hinter sich. Derweil aber graut es selbst dem Morgen, kommt er über die Stadt.

Widerstand war von Beginn an. Befürchtet wurde, der Handel und Wandel in der Innenstadt stürbe. Bauliche und u. a. Bedenken aus Umweltgründen schrumpften den „Glitzerpalast“ auf einen „halben Herkules“. Diesen herzigen Vergleich zog Baubürgermeister Klaus Schmitz-Gielsdorf zum Auftakt der öffentlichen Auslegung des neuen B-Plans Nr. 89a. Im Stadtplanungsamt können Bürger wie „Träger öffentlicher Belange“ – also Bundes- und Landesbehörden, der Landkreis, die Stadtwerke, der Wasser- und Abwasserzweckverband, Entsorgungsfirmen, die Telekoms dieser Welt, Feuerwehr und Rettungsdienste – dazu Stellung beziehen. Der Stadtrat prüft, was davon in die weitere Planung Eingang findet.

Das Fachmarktzentrum bietet 2.000 m2 Supermarkt, dazu auf je 800 m2 einen Drogerie- und einen Schuhmarkt, 2.700 m2 für Textilien und dazu ein paar Läden kleiner 100 m2.

Für die Anlieferung und die Kunden gibt es zwei Zufahrten von der Gartenstraße. 182 Parkplätze entstehen. Zum Übergang an der Raiffeisenbank kommt ein zweiter zur Pfortenstraße.

Gebaut wird zwischen Suttnerplatz und Raiffeisenbank. Was aus dem Areal bis zur Remstädter Straße wird, das Saller größtenteils gehört, ist offen.

Müßig derweil: Aber ich meine, ein „Glitzerpalast“ hätte bereichert, ein angemessenes Sortiment der Innenstadt nicht den Garaus gemacht – aber Gotha attraktiver. Auch für Kunden von weiter her.

So aber kommen nun zu den vorhandenen Textilien, Schuhen und Drogerieartikeln jene in Sallershausen, zu den aktuell 20.000 Autos in der Gartenstraße ein paar Tausend mehr.

Und nicht zu vergessen: Baut Saller 2018, ist die Friedrichstraße – wie in diesem Jahr – mindestens ein halbes Jahr voll gesperrt.

Knut Kreuchs Vision einer „KÖ von Gotha“ war nicht abwegig. Jetzt aber wird’s nix mehr mit einer Einkaufsmeile à la Düsseldorfer Königsallee.

Der Krieg um den „Glitzerpalast“ endet. Machen wir nun unseren Frieden mit den halben Herkules-Hütten?

Nun ja; müssen wir ja wohl.

(Kolumne, veröffentlicht im “Oscar am Freitag”, Ausgabe Gotha, am 24. Februar 2017)

Mehr zum Thema:
22. Januar 2016: Oscar-Kolumne: Never ending Story 
11. Juni 2015: Oscar-Kolumne: Zweite Chance
1. Februar 2014: „Oscar“-Kolumne: Frucht der Erkenntnis
28. Oktober 2010:     „Oscar“-Kolumne: KommuniKatastrophe

Comment!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert