Oscar-Kolumne: Gotha genial global

Montag. 2 Uhr morgens. Morpheus hält mich in seinen Armen. Ich träume mich gerade durch meinen Lieblingstraum: Der Herr Aschenbrenner sitzt hinter seinem reetgedeckten Kapitänshaus. Schaut an den Sanddornbüschen vorbei von seiner blauen Bank aufs Meer. Da klingelt es an der Tür. Ach neee, geht ja nicht: ich träum‘ ja.

Aber eine schrille Bimmel frisst sich in meinen Gehörgang: Das Telefon! Wer in Gottes Namen ruft mitten in der Nacht an?

Mit einem derben Fluch auf den Lippen barfüßle ich zum Traumzerstörer. Am anderen Ende der Leitung das andere Ende der Welt. Down under. Thomas. Der Kerl lernt es nie …

Ehe ich meinem Freund auch nur einen Vorwurf entgegen knurren kann, überschüttet er mich mit Fragen. „Warste schon da? Klar warste da! Muss das geil sein?!? Man, ist das genial! Ich muss unbedingt auch mal hin. Ich MUSS …“

Dann braucht der Bursche Luft. Und ich kann fragen, was so verdammt wichtig ist, dass er mich aus meinem Kissen reißen muss. „Na, Euer neues Museum!?!“

14.500 km Luftlinie entfernt, kam die Kunde von der Eröffnung in Australien an. Thomas erfuhr davon – der schicken digitalen Welt sei Dank. Liest zwar nicht immer, aber ziemlich regelmäßig die Neuigkeiten aus Gotha. Und davon gab es dieser Tage mehr als genug.

Auch Radio und Fernsehen berichteten in aller Ausführlichkeit. Deshalb war er unglaublich euphorisiert. Konnte überhaupt nicht verstehen, wieso ich nicht unter jenen 12.000 war, die Samstag und Sonntag zum Premierengucken sogar mal wieder Schlange standen. Freiwillig.

Meine zugegeben schmalbrüstigen Ausflüchte verlachte er: Wie man sich so etwas entgegen lassen könne … Und ich schämte mich ein wenig.

Weil er aber zu Weihnachten – wie alle Jahre wieder – nach Deutschland kommt und seine Eltern besuchen wird, lud ich ihn nach Gotha ein. Zum Museumsbesuch …

So schön wie es ist, das 12.000 Neugierige am ersten Wochenende kamen: Wichtiger wird sein, dass der Strom nicht abreißt. Ich bin sicher, dass von weiter her viele kommen werden. Gotha hat mit dem Haus jetzt ein Pfund zum Wuchern, wie es diese kleine beschauliche Stadt noch keines je zuvor hatte. Mögen dies auch die Eingeborenen so sehen! Denn „Provinz fängt im Kopf an!“ Der Ex-Chefredakteur der TA, Sergej Lochthofen, hat das Copyright an diesem Spruch. Ich habe ihn zutiefst verinnerlicht, weil er so simpel wie wahr ist. Das demonstriert ganz eindrucksvoll das „Herzogliche Museum“ wie die gesamte ehrgeizige Vision vom „Barocken Universums“. Ein begeisterndes Vorhaben, eines zum Niederknien.

Das tat übrigens auch Dr. Martin Eberle. Es war die Art des Direktors der Stiftung Schloss Friedenstein, seinem Team zu danken, ihm seinen Respekt auf doch recht ungewöhnliche Art und Weise zu zollen. Ich finde diesen „Kniefall von Gotha“ – anders als andere – nicht albern, sondern aller Ehren wert.

Und deshalb sollten wir Gothaer es den zahllosen, nicht namentlich erwähnten hilfreichen Heinzelmädchen und -männchen auch „heimzahlen“. Mit fünf Euro. Mehr kostet sie nicht, eine Eintrittskarte in Gothas neue Schatztruhe …

Seit Dezember 2002 erscheint im “Oscar am Freitag” in der Lokalausgabe Gotha am jeweils letzten Freitag im Monat meine gedruckte Kolumne “Der Aschenbrenner hat das Wort”; die hier auch anschließend veröffentlicht wird.

 

0 Comments

  • Petra (#)
    26.10.2013

    Ja, Rainer das stimmt. Der Kniefall des Chefs war eine tolle Geste. Welcher Chef denkt schon daran, bei solch einer glanzvollen Eröffnung mit vielen Gästen und großer Öffentlichkeit sich nicht nur allein im Ruhm zu sonnen? Fast immer wird sonst vergessen, dass es nicht die sind, die vorne dran stehen, die das Große leisten. Mehr solcher Chef kann man sich nur wünschen – auch wenn es nicht immer der Kniefall sein muss…

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