Oscar-Kolumne: Fee! Will! Kommen!

Im Märchen obsiegt stets das Gute. Zuweilen aber auch nur, weil eine berückend schöne und gute Fee simsalabimst. Von Feen lernen, heißt obendrein siegen lernen: Sie setzt nämlich ihren Zauberstab nur im alleräußersten Notfalle ein, um diverse Bösewichte zu pürieren, sie aufzulösen oder in hässliche Tiere zu verwandeln. Vielmehr erfüllt sie drei Wünsche.

Ich liebe Märchen. Immer noch. Und deshalb gehe ich mal davon aus, dass mich demnächst eine dieser wunderschönen, wundersamen, Wunder gewährenden Feen beehren wird. Denn ich habe drei ganz dringende Wünsche seit dem 22. April:

Erstens wünschte ich mir, dass 19.651 residenzstädtische Männ- wie Weiblein (sowie auch jene, die sich nicht entscheiden können oder wollen …) am nächsten Tag aufwachten und sich schwören, nie wieder nicht wählen zu gehen. Es enttäuschte mich, dass mehr als die Hälfte der Gothaer ihr Wahlrecht ungenutzt verstreichen ließen. Es beschämte mich, weil ich mich als Medienmensch nicht unschuldig daran fühle. Braucht es heute doch keines Druckhauses, keines Sendestudios mehr, um sich einzumischen – internet(t)er Technik sei Dank. Und es wunderte mich, dass trotz der bescheidenen Wahlbeteiligung Siege überschwänglich gefeiert wurden.

Keine Frage: Knut Kreuchs 76,5 % sind mehr als nur eine Hausnummer. Aber am Ende bedeuten sie – bezogen aufs GANZE Wahlvolk – dass er nur die Legitimation jedes dritten Gothaer hat. Wie ich aber unseren Volks-Tribunen kenne, wird ihn das erst Recht anstacheln, auch jene zwei Drittel Menschen in dieser Stadt mit seiner Arbeit überzeugen zu wollen, die sich anders, gegen ihn oder eben gar nicht entschieden haben.

Gleiches gilt im Übrigen für die Wahl des Landrates – bezogen auf seinen deutlichen Sieg, die gleichsam bescheidene Wahlbeteiligung und den daraus ableitbaren Auftrag für Konrad Gießmann.

Zweitens wünschte ich mir, dass künftig Wahlen weder Kämpfe noch Schlachten sein sollten, bei denen es darum geht, Gegner und deren Fuß- wie Wahlvolk zu vernichten. Vielmehr schwebt mir ein Wettstreit der Ideen vor, die nicht gegen-, sondern miteinander entwickelt werden. Dann wäre auch das unnütze Plakatieren verzichtbar: Wirklich gute Ideen sind nämlich höchst selten plakativ, lassen sich kaum stammtischtauglich auf Drei-Wort-Parolen verkürzen.

Deshalb wäre es auch mein dritter Begehr, dass ab sofort der jeweilige Wahlsieger in Stadt, Landkreis – oder wo auch immer! – seine unterlegenen Mitbewerber hernach einlädt, um gemeinsam deren beste Vorschläge und Vorstellungen zu diskutieren und sie dann umsetzt. Ganz spontan fiele mit da das Thema „Bürgerbeauftragte“ ein. Sie wären sicher kein Universalwerkzeug à la „Schweizer Taschenmesser“  gegen den Politikverdruss. Aber sie könnten – guten Schiedsrichtern gleich – darauf achten, dass die demokratischen Spielregeln von allen und immer eingehalten werden.

Deshalb skandiere ich jetzt mal:
Fee!
Will!
Kommen!

(Kolumne für “Oscar am Freitag”, Ausgabe Gotha, erschienen am 27. April 2012)
Foto: pixelio

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