Oscar-Kolumne: Ein schöner Rücken…

Morgen (edit: Samstag, 28. November)  ist in Gotha wieder „Großkampftag“. Morgen will das „Bündnis Zukunft Landkreis Gotha“ zeigen, wo Thors Hammer hängt. Nämlich rechts. Weil aber diese „Eine Gemeinschaft, eine Bewegung, ein Ziel“ kennt, hat man sich Freunde eingeladen.

Am Samstag kommen deshalb wieder aus aller Herren Bundesländer die einzig wahren Vaterlandsverteidiger. Halten „die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen“…

…weil morgen aus eben diesem Grunde mit einer zweiten Reisewelle Antifa-Aktivisten anrücken. Ebenfalls aus allen Ecken der Bunten Republik. Und sie werden zumindest unüberhörbar sein wegen ihres Schlachtrufs „Alerta, alerta, Antifascista!“

Gleich acht Gegendemos sind angemeldet. Gotha wird damit wieder einmal Schauplatz für ein ganz spezielles Klassen(kampf-)treffen. Denn man kennt sich. Und man ist einander im abgrundtiefen Hass zugetan. Deshalb gibt es in den Heimatschutz-Staffeln und unter den Weltrevolutionären etliche, die garantiert keine Blumenkinder sind. Was sich ganz schnell zeigt, wenn lautstarke Parolen nicht mehr ausreichen. Dann gerät man auch schon einmal aneinander. Dann fliegen in revolutionärer Rage Fäuste, Steine oder sonstige Dinge.

Morgen müssen aus genau diesem Grund wieder jede Menge Polizisten ihren Kopf, ihren Schild und noch einiges andere hin- und aushalten. Dabei haben die eh schon genug an der Backe. Dass die „Prügelknaben der Nation“ zuweilen den Überblick und die Nerven verlieren und dann auch mal die Falschen Haue bekommen, ist ganz sicher Mist. Aber es verwundert höchstens jene, die noch nie zwischen solche Fronten geraten sind, wie sie auch morgen wieder in Gotha aufgemacht werden…

Regelrecht ritualisiert, gibt es seit Jahrzehnten einen Demo-Tourismus: Wo die einen sind, dürfen die anderen nicht fehlen.

Weil es um Aufmerksamkeit geht. Vor allem öffentliche, mediale
Aufmerksamkeit. Das ist das Pfund, mit dem man politisch wuchern kann.

Was aber wäre, es ginge keiner hin? Oder wer anderer Meinung ist, als jene, die sich gerade der Straße bemächtigen, drehte ihnen einfach den Rücken zu? Schweigend?

Schon als neumalkluger Hosenscheißer habe ich eine Weisheit meiner Großmutter Alexandrine über alle Maßen gemocht: „Wer schreit, hat Unrecht!“ Und in der Tat: Die Lautesten sind selten die Lautersten.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich bin tatsächlich auf dem rechten Auge fast blind und höre links kaum noch was. Trotzdem habe ich so gar nichts mit der NPD, noch der „Rechten“ am Hut. Mag mir auch keine solche „Zukunft“ für den Landkreis Gotha vorstellen, die das Bündnis der Demo-Organisatoren anstrebt. Ebenso wenig aber gehört dem „Schwarzen Block“ und anderen militanten Contra-Kapitalismus-Kämpfern auf der anderen Seite des politischen Spektrums meine Sympathie. Mir sind Extremisten – gleich welcher Couleur – grundsätzlich suspekt.

Morgen also ist in Gotha wieder „Großkampftag“. Und tags darauf zünden wir die erste Kerze am Adventskranz an. Was für eine Welt!

Übrigens: Napoleon, so ist es überliefert, trug meist rote Hemden. Damit nicht auffiele, falls er mal verwundet würde. Von den Nazis weiß man, dass sie braune Hosen tragen…

P.S. vom 29. November: „in der nacht vom 27. auf den 28. november haben wir, als reaktion auf den heutigen naziaufmarsch in gotha, den start- und endpunkt der nazidemo – dem coburger platz – mit 400 litern scheiße präpariert.“ (Original-Zitat, Quelle: linksunten.indymedia.org) 

Diese Gülle-Aktion war Gülle wie auch die Schmiereien an den Fassaden. Die Schweinerei wegmachen mussten am frühen Samstagmorgen die Jungs von der Stadtwirtschaft. Die Graffiti-„Künstler“ haben keinen Respekt vor fremden Eigentum und korrektem Umgang mit Sprache(n). Und am Ende hatten die Herrschaften vom braunen Bündnis noch einen Triumph extra: Der Redner der Abschluss-Kundgebung der Nazis eendete: „Ein Dank an die Stadtreinigung, die den Platz heute morgen wieder reinigte. In anderen Städten, hätte man das für uns nicht gemacht.“ (*)

*Quelle mir bekannt und seriös, aber anonymisiert, weil genug Deppen (von rechts UND links) anderer Leute andere Meinung zum Anlass nehmen, zur Selbstjustiz zu greifen.

(erweiterte Kolumne, veröffentlicht im “Oscar am Freitag”, Ausgabe Gotha, am 27. November 2015)

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