Oscar-Kolumne: Die Kurve kriegen…

Nein.
Ich möchte nicht in Knut Kreuchs Haut stecken.
Aus unterschiedlichen Gründen.

Nicht, weil Gothas OB Druck aushalten muss.

Den kennt er. Der gehört zum Politik-Geschäft. Opposition sei Mist, postulierte zwar sein Genosse Münte(fering). Opposition zu sein, ist aber auch komfortabel: Über alles und alle reden, aber keine Verantwortung für nichts zu haben.

Neu ist, dass Kreuch Druck von der Straße bekommt. Die „Straße“ ist heute eine virtuelle Autobahn namens Twitter und Facebook. Erstaunlich, was dort Worte, Bilder oder auch forsch-froschfreche Collagen bewirken! Da entstehen komische Koalitionen und zerbrechliche Zweckbündnisse: Ich fühl mich an Zeiten erinnert, da wir Bernsdorfer loszogen, um die benachbarten Wiednitzer zu verhauen, nur weil einer von denen einem von uns das Mädel ausgespannt hatte…

Um keine Missverständnisse zu erzeugen: ICH begeistere mich für diese Möglichkeiten, seine Meinungen öffentlich machen zu können, darauf Reaktion zu bekommen. Früher traf man sich zum dörflichen Schwatz oder zum Befrieden nachbarschaftlicher Streitigkeiten unterm Lindenbaum, am Brunnen vor dem Tore. Unser modernes Thing heißt eben „Residenzstadt Gotha“ oder „99867 Gotha“.

Öffentliche Meinung bildet sich zunehmend anders: Immer weniger oder gar kein Gehör finden deshalb „Rathauskuriere“. Vor allem die gedruckten.

Öffentliche Meinung bildet sich öffentlicher als je zuvor. Knut wäre gut beraten, ein wenig weniger heimlich Herrschaftswissen zu horten, dafür vielmehr mutig zum Mitmachen ermunternde Mitteilungen zu geben. Was hätte er denn zu befürchten? Dass im Gothaer Land die Bauern wieder schlauer als anderenorts die Edelleut‘ würden?!? Rät ihm das niemand, sagt ihm das keiner?

Das ist aber auch ein Kapitel für sich: Knut und die Kritik. Meine Großmutter Alexandrine sagte immer: „Wer austeilt, muss auch einstecken können.“ Ersteres kann er zunehmend besser. Der Rest klappt nicht ganz so. Wobei: Das ist doch menschlich! Wir wollen doch alle geliebt werden, oder? Und solche Typen wie Kreuch, die sichtlich das Rampensau-Gen in sich tragen, wollen ganz besonders oft und gern geliebt werden.

Knut ist es gegeben, mitzureißen. Und dafür muss man nicht einmal Trachten-Fetischist sein. Er kann „verkaufen“. Dieses Talent belebte schon in den frühen 1990er-Jahren den städtischen Kulturbetrieb. Legendär, wie er mit „seinem“ Bach klappert. Er schreibt Theaterstücke, Bücher…

Der Typ, der durch alle Gassen tobt, heißt zwar Hans Dampf. Was aber nur ein Künstlername von Knut Kreuch ist.

Nicht jedermanns Sache ist dieses Auftreten. Keine Frage. Aber nicht jedermann traut sich auch, solch dicke Bretter zu bohren, wie die im Gothaer Rathaus – und dann darauf noch Standfestigkeit zu beweisen.

Als Knut 2006 antrat, war er der strahlende Held, der Liebling der Massen, zumindest der wählenden Mehrheit. Das darf man nicht vergessen. Knut sollte das aber auch nicht.

Kreuch nahm die Stadt im Sturm. Weil er ein brillanter Wortdrechsler ist. Er kann motivieren. Und er säte Hoffnungen. Darauf, dass sich was dreht. Und es hat sich viel gedreht.

Auch, weil er vor allem als OB ein Gespür dafür entwickelte, wann sich die Winde drehen. Wie alle Alpha-Tierchen fällt es ihm nicht leicht, Ansichten und Positionen aufzugeben. Aber tut er es, hat er eine eigene Art: Er ehrt Urheber besserer Konzepte, indem er sie großzügig vereinnahmt.

Also eigentlich alles gut mit Knut?
Ich denke nicht.

Eigene schmerzhafte Erfahrungen lehrten mich, es nicht zu übertreiben:
Alles allein zu wollen.
Alles gleichzeitig zu machen.
Nicht zuhören zu können.
Zu glauben, alles besser zu können.
Immer nur auf Verschleiß zu fahren.

Mir halfen gute Freunde, die Kurve zu kriegen.
Naja, ganz ehrlich: Ich bin ich sogar noch beim Versuch, die Kurve zu kriegen…

Ich hoffe Knut hat auch solche Freunde.
Ich meine, RICHTIGE Freunde…

Seit Dezember 2002 erscheint im “Oscar am Freitag” in der Lokalausgabe Gotha am jeweils letzten Freitag im Monat meine gedruckte Kolumne “Der Aschenbrenner hat das Wort”; die hier auch anschließend veröffentlicht wird.

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  • […] sollten wachsam sein im Großen wie im Kleinen, im Globalen wie im Regionalen für das, was nicht mehr zur Sprache gebracht werden soll, darf oder kann. Oder anders: Leute redet, […]

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