Oscar-Kolumne: Den (Kopf-)Bogen überspannt

4.033 Scheidungen gab es 2014 in Thüringen. Sagen die Statistiker. Vor allem Paare zwischen ihrem 3. und 10. sowie dem 12. und 14. Ehejahr wären besonders trennungssüchtig.

Etwa, weil bei Hempels unterm Sofa der Lover lag. Oder Herr und Frau Hempel sich nichts mehr zu sagen hatten.

Wie Knut und Klaus.

Die sind zwar nicht verheiratet noch in einer Lebensgemeinschaft. Sie haben aber ein Verhältnis, ein dienstliches. Im dritten Jahr – jenem in Thüringen besonders anfälligen dafür, dass man nicht mehr miteinander kann.

Wie Knut und Klaus. Nicht der Schreibe wert, wären die beiden Krethi und Plethi. Sind sie aber nicht. Der eine ist Gothas Oberbürgermeister. Der andere hauptamtlicher 1. Beigeordneter und Bürgermeister.

Knut kann Klaus nicht mehr verknusen, will ihm den Stuhl vors Rathaus stellen. Weil Klaus aber vom Stadtrat auserwählt wurde, geht das nicht so ohne Weiteres. Das ist auch gut so. Zum einen, weil Knut nicht Herr im Rathaus ist – es zumindest nicht sein sollte. Denn der Stadtrat hat das letzte Wort, fast immer: So sollen eben auch die gewählten Beigeordneten zu Nutz und Frommen der Stadt arbeiten können – ohne vom Wohl oder Wehe des Obermeisters aller Bürger abhängig zu sein.

Doch Knuts und Klaus’ Verhältnis stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Denn Knut bekam statt seiner Favoritin Kerstin Götze-Eismann im September 2012 überraschend den hier unbekannten Klaus Schmitz-Gielsdorf zur Seite gestellt. Der eigensinnige Stadtrat wollte das so. Wenn auch nur mit knapper Mehrheit. Aber gewählt ist gewählt. Was allerdings erst die Kommunalaufsicht bestätigen musste.

So fielen die Flitterwochen aus.

Dafür scheint der Polterabend in Endlosschleife – auch wenn kurz eine gewisse Harmonie zu herrschen schien und mancher die K.u.K.-Monarchie ausrufen wollte.

Wie im richtigen, ist es auch im kommunalen Leben: Treffen zwei Alpha-Männchen aufeinander, braucht es nur wenig, bis die beiden Hirsche sich ins Gehege kommen. Derart Balzkämpfe sind in Gotha nicht selten.

Wer da den (Kopf-)Bogen als erster überspannt hat, ist noch ein Geheimnis. Aber CDU-Fraktionsvorsitzender Max Fliedner machte im Mai aus einem Briefkopf eine Affäre.

Dann war die Rede vom „seit Längerem zerrütteten Vertrauen“. Deshalb wurde Schmitz-Gielsdorf gleich vom Dienst suspendiert. Bis er sich wieder an seinen Schreibtisch klagte.

Unklar bleibt die wahre Triebkraft für den Begehr nach Abberufung. Zumindest 26 der 36 Stadträte wussten offensichtlich mehr. Sie unterschrieben den Antrag dafür. Dem müssen nun zweimal zwei Drittel aller Stadträte zustimmen. Der erste Durchgang (edit: 24. Juni 2015 fand am Mittwoch statt. Frühestens in zwei Wochen geht es dann um Kopf und Zahl(en). Muss Schmitz-Gielsdorf gehen, bekommt er bis Vertragsende 70 % des Gehaltes. Das will das Gesetz. Das wären ca. 200.000 Euro, wie er in einem Zeitungsinterview selbst offenlegte. Dort sagte er auch, er würde lieber weiterarbeiten. Ein frommer Wunsch, ganz gewiss. sollte am 24. Juni stattfinden. Doch kurz nach der Eröffnung zog OB Kreuch den Antrag zurück. Man wolle „wieder die vertrauensvolle Zusammenarbeit suchen“, lautete seine Begründung. Welch frommer Wunsch nach dem öffentlich ausgetragenen Balzkampf.

„Friede ernehret, Unfriede verzehret.“ Ernst I. ließ diese Worte 1650, nach Ende des Dreißigjährigen Krieges, ans Nordportal von Schloss Friedenstein anbringen.

Sie sind 365 Jahre später aktuell wie nie.

(Kolumne, veröffentlicht im “Oscar am Freitag”, Ausgabe Gotha, am 26. Juni 2015, bearbeitet)

 

 

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