Oscar-Kolumne: Das unentdeckte Land

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„Nur Nixon konnte nach China gehen.“
Ich bin Trekkie. Ein Fan von Captain Kirk, vom grünblütigen Spitzohr Spock und von all den anderen illustren Typen aus dem Star-Trek-Universum. Also ist dies für mich ein vulkanisches Sprichwort. Und es wird erst in 275 Jahren zitiert…

„Nur Nixon konnte nach China gehen.“
Ich bekenne mich aber ebenso dazu, Wortdrechsler, Mundwerker und Schreibtischler zu sein. Dieser Spezies eigen ist sauberes Recherchieren. Deshalb weiß ich nicht erst seit dem 25 Jahre alten Star-Trek-Kinofilm „Das unentdeckte Land“, dass dieses geflügelte Wort auf Richard Nixons Besuch in China 1972 anspielt. Nach den Verhandlungen des US-amerikanischen Präsidenten mit Mao Zedong verbesserten sich die diplomatischen Beziehungen mit China spürbar. Niemand verdächtigte den bekennenden Antikommunisten Nixon dabei falscher Sympathien.

„Nur Obama konnte nach Kuba gehen.“ So wird es wohl deshalb demnächst heißen.
Und es gibt eine Gothaer Version: „Nur Eberle und Kreuch konnten nach Moskau gehen.“

Keine Sorge: ICH leide nicht an Größenwahn oder stelle den Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein und Gothas OB auf eine Stufe mit den präsidialen Bewohnern des „Weißen Hauses“. Wobei: Was das Selbstbewusstsein betrifft, kann Gothas doppeltes Flottchen locker mithalten…

Sie kamen ja auch nicht mit leeren Händen in Putins Reich. Hatten 25 kostbare Cranachs im Gepäck – noch bis 15. Mai im Puschkin-Museum zu Moskau zu sehen.

Diese Schau ist dreifach spektakulär: Es ist die erste Ausstellung Lucas Cranachs Werke in der russischen Geschichte, die erste Gemäldeausstellung im deutsch-russischen Kulturdialog und die erste Wiedervereinigung einer kriegsbedingt getrennten Sammlung. Zur Erinnerung: Bis 1946 umfasste der Gothaer Bestand 40 Gemälde. Dann wurden sie als Reparationsleistung nach Moskau abtransportiert, 1958 kehrten 21 von ihnen heim.

Jetzt konnten die Gothaer jene „Beutekunst“ erstmals in Augenschein nehmen. Stiftungsdirektor Professor Martin Eberle; der Kurator der Ausstellung Dr. Timo Trümper; auch der „Hans-Dampf-auf-allen-Bühnen“ Knut Kreuch – sie alle kannten diese Bilder nur von Schwarz-Weiß-Fotografien, mehr als 70 Jahre alt.

Die Gothaer und ihre russischen Partner brauchten Jahre, dieses Projekt vorzubereiten. Weitere sollen folgen: 2017 gibt es eine hochkarätige Ausstellung französischer Meister aus dem Puschkin-Museum in Gotha. 2019 könnten niederländische und flämische Meister aus Gothas Sammlungen in Moskau gezeigt werden.

1963 prägte der SPD-Mann und Außenpolitiker Egon Bahr in einer Rede in Tutzing den Begriff vom „Wandel durch Annäherung“. Die Reise der Cranachs nach Russland ist ein exemplarischer Schritt in die richtige Richtung. Ehre gebührt dafür heute schon allen Akteuren; den deutschen wie den russischen.

Ob es ein historisches Ereignis für einen „Wandel durch Handeln“ in dieser Eiszeit zwischen der EU und Russlands war, lehrt uns die Zukunft.

Eben jenes „unentdeckte Land“.

Foto: Cranach im Blickpunkt, © Staatliches Museum für Bildende Künste A. S. Puschkin, Moskau

(Kolumne, veröffentlicht im “Oscar am Freitag”, Ausgabe Gotha, am 25. März 2016)

 

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