Oscar-Kolumne: Austreten

Wenn einer; nein: Wenn Rainer eine Reise tut …

Ja, wirklich und wahrhaftig! Ich habe mal Gotha den Rücken gekehrt und Urlaub gemacht. „Darf’ ’n der ’n das als Freiberufler?“ Ja; und werde ich auch öfter tun als bisher: Ist nämlich gut für die Seele, den Kreativ-Akku. Und die Figur.

Ich habe mich abgestrampelt. Radurlaub auf Rügen. Bevor die Touri-Welle wieder über Deutschlands größte – und wie ich finde, schönste! – Insel schwappte.

Vor der Vorsaison ist besonders erholsam. An manchen Tagen begegnete mir keine Menschenseele weit und breit. Die „Eingeborenen“ sind auch deutlich weniger genervt, haben Zeit auf ein Schwätzchen. Und – was noch besser ist! – sie verlangen meist unverschämt günstige Preise im Vergleich zu jenen, die in der Hauptsaison gelten: eine Nacht in der FeWo 30 €, 0,5–l-Lübzer Pils 2,80 €, frisches Fischbrötchen 2,50 € …

Aber zurück zu den Radwegen: Die sind wesentlich schlechter als ihr Ruf. Vor allem neu gebaute, asphaltierte Kilometer laufen parallel zu viel befahrenen Straßen wie der B 96. Das mag ja Rennrad-Besitzer und Kilometer-Fresser begeistern. Ich aber schlug mich deshalb seitwärts in die Büsche, wollte lieber abgas- und lärmfrei radeln.

Nicht im Blick hatte ich da, dass den überwiegenden Rest Radwege jedoch meist alte LPG-Wirtschafts- oder Waldwege bilden. Eine einmalige Kombination! Die brüchigen Betonplatten-Parcours lockern sämtliche Kalkablagerungen in Venen und dem Hirn und die im Frühjahr von schwerem Fahrzeugen zerfahrenen Waldwege führen öfter zu unfreiwilligen Schlammbädern. Aber das konnte selbst mich, der ich eben erst das Radfahren als entspannende Freizeit-Aktivität entdecke, nicht erschüttern.

Und außerdem hätte ich sonst nie den G-Punkt von Rügen gefunden (-:!

Solche „rüttel Dich, schüttel Dich“-Tour öffnet aber auch die Augen.

Nämlich, dass hierzulande bei weitem nicht alles so von Übel ist, wie der gemeine Gothaer gewöhnlich geruht zu klagen.  Das, was ich von den rund 750 km (!) Radwegen im Landkreis kenne, ist Lichtjahre besser als die Rüganer Rüttel-Pisten! Übrigens: Offiziellen Angaben zufolge sind auf der Insel, die nur 19 Quadratkilometer kleiner als der Kreis Gotha ist, etwa 450 km Radwege ausgewiesen.

Nach zwölf Tagen Abwesenheit zurückgekehrt, hatte ich (unter anderem!) das Vergnügen, mich durch den Berg zweier Tageszeitungen zu wühlen. Ich bekenne aber, dass ich nur die Lokalteile las. Aus bekannten Gründen dauert das ja schließlich nur halb so lange …

So weiß ich: Wir haben jetzt „Buddel“. Der Maulwurf, der eigentlich „Buddelflink“ heißen müsste und zum Ensemble der DDR-Kinderfernsehens gehörte, soll uns mit Baustellen in der Stadt versöhnen. Von denen gibt es derzeit wirklich erstaunlich viele, oder? Ich bewundere dabei vor allem die Fantasie derer, die die Umleitungsstrecken ausgewiesen haben.

Einerseits sorgen sie selbst bei Goth’schen dafür, dass sie ihre Heimatstadt neu kennen lernen. Beispiel gefällig? Dann mal auf in die Kindleber Straße, zum Beispiel zu jenem Fahrrad-Dealer meines Vertrauens, der mein Veloziped insel-tauglich machte. Kleiner Tipp: Möglichst weit in den hohen Norden Gothas fahren und dann mit Gottvertrauen die Langensalzaer Straße zurück …

Zum anderen sorgen intelligente Kombinationen zahlloser Ampeln mit besonders kurzen Grün-Phasen für eine gemächliche Sightseeing-Tour. Nicht nur „Stop and go(tha)“-Transit-Reisende entdecken völlig neue Perspektiven!  Höchstens die Abgase mindern den uneingeschränkter Genuss. Aber immerhin!

Solche Erlebnisse härten ab! Wer wie ich am Ostersamstag den umleitungsbedingten städtischen Stau-Stresstest – vor allem in der Oststraße – absolvierte und nicht die Fassung verlor, sorgt sich nicht mehr wegen des „Thüringentages“, kämen tatsächlich die prophezeiten 200.000 Gäste nach Gotha.

Darauf darf trotzdem so gespannt sein, wie ich es zum Beispiel auf den SPD-Landrats-Kandidaten war. Im Februar war zum großen „Gotha sucht den Volkstribunen“-Gerangel aufgerufen worden. Auf der Homepage des SPD-Kreisverbandes gab es dann am 9. März die Botschaft der Kreisvorsitzenden Petra Heß, dass „bereits mehrere Nominierungsformulare eingegangen“ seien. Sie erklärte auch: „Die Kandidatenliste wird am 11. April geschlossen, geprüft und eine Woche später veröffentlicht.“

Der 18. April kam. Er verstrich. Kein Name bisher. Nirgends.

Seit Ostermontag ist zumindest auf der Homepage zu lesen, dass die Vorschläge geprüft worden seien und: „Das Ergebnis soll Anfang Mai bekannt gegeben werden.“

Wir haben den 13. Mai. Einen Freitag, immerhin! Still ruht der SPD-See …

(leicht veränderte Version des Textes, erschienen im „Oscar am Freitag“, Ausgabe Gotha, April 2011)

Comment!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert