„Oscar“-Kolumne: Abschiede

Fünf vor 12. Da weckte mich am Silvesterabend mein Weib. Sonst hätte ich zum zweiten Mal in Folge den Jahreswechsel verpennt. Und noch ehe ich mich gänzlich aus Morpheus’ Armen befreien konnte, knallten auch schon die Korken und Raketen illuminierten Gothas Silvester-Himmel. „Rumms!“ war 2009 vorbei, das GröKriJaz – das „größte Krisenjahr aller Zeiten“.

Ebenso Knall auf Fall hatte sich Wochen zuvor Sergej Lochthofen von der „Thüringer Allgemeinen“ verabschieden müssen. Dazu wurde viel gesagt und noch mehr geschrieben. Jetzt herrschen bei der TA Raue-Zeiten. Vor 20 Jahren kam jener Paul-Josef schon einmal auf Kurz-Visite nach Thüringen, gründete damals die „Eisenacher Presse“, der allerdings kein langes Leben beschieden war. Aber Geschichte, so sagt man ja, könne sich nicht wiederholen…

Einer kam also wieder. Dafür sagte ein anderer Ex-„Eisenacher Presse“-Mann: „Ich bin dann mal weg…“ Oliver Bauer, seit 1994 in der Wartburgstadt und ab 1998 Chef-Kuno der schlau-blauen TLZ-Käuze in Gotha, beendete zum Jahresende sein Engagement im Freistaat. Das bayrische Bad Mergentheim, zweieinhalb Autostunden südwestlich der Residenzstadt, kann sich über einen engagierten Journalisten freuen. Bauer übernahm die Leitung der Lokalredaktion der „Tauber-Zeitung“. Dass er sich gegen eine 70-köpfige Konkurrenz durchsetzte, dürfte nach 12 Jahren in der Residenzstadt logisch gewesen sein. Hier kommen schließlich nur die wirklich Harten in den Garten.

Oder in den Landtag. Gerade fünf Monate ist’s her, da landete Matthias Hey (SPD) seinen in dieser Deutlichkeit allemal überraschenden Wahl-Coup. Erst erbte er von Evelin Groß (CDU) das Landtagsmandat, dann auch noch ihren Vorsitz im wichtigen Innenausschuss. Doch selbst er, der sonst um kein Wort verlegen ist, musste alsbald lernen, dass landespolitische Trauben recht hoch hängen. Die „Stimme für Gotha“ steht ziemlich auf verlorenen Posten in seiner Fraktion. Und nicht nur, weil sich die „Jena-Connection“ breit gemacht hat. Unverdrossen aber tut Hey dass, was er am besten kann: Er verbreitet Optimismus und weiß sich bestens zu verkaufen.

Letzteres lag und liegt Evelin Groß nicht. Sie brauchte Zeit, zu begreifen, dass sie keinem raffiniert eingefädelten Kreuch-Komplott zum Opfer gefallen war, sondern dass ihr der Wähler den Stuhl vor den Landtag gestellt hatte. Dann tat sie zunächst das, was Frauen gelegentlich des Umstandes entscheidender Änderungen in ihrem Leben immer tun: Die Frisur wurde fescher, die Brille eine Spur frecher. Und die Frau dann deutlich ruhiger. Sie fand sogar Zeit, sich um Familiäres zu kümmern. Däumchen drehen ist aber nicht, denn ihre zahlreichen ehrenamtlichen Engagements fordern sie auch. Zudem hat die CDU-Kreisvorsitzende ihren inneren Frieden mit der Landespolitik gemacht. Dass sie sich bis zuletzt zu Althaus bekannte und auch heute noch – im Unterschied zu manch anderem „Jünger“ – einen entspannten Umgang mit dem an aktuellen Debatten merkwürdig Unbeteiligten hat, war und ist eben in der Ära Lieberknecht nicht karrierefördernd.

Gleiches Schicksal, andere Partei: Vor laufenden mdr-Kameras endete im September nach sieben Jahren Petra Heß’ Bundestags-Karriere. Sichtlich nach Fassung ringend, stand die SPD-Kreisvorsitzende mit versteinertem Gesicht neben Christoph Matschie. Ihre Nähe zum Querkopf Richard Dewes gab und gibt jetzt wohl den finalen Ausschlag, dass sie bis zum heutigen Tag zwischen Baum und Borke hängt. Dass sie sich bisher stark in ihrem Wahlkreis engagierte, immer ihrer Partei diente, wird von den Landesspitzen nicht honoriert. Der SPD fühlt sich die Crawinklerin mit Hang zum Maritimen trotzdem immer noch verpflichtet – nimmt deshalb Angebote auch aus der privaten Wirtschaft nicht an. Ich hatte deshalb ein Déjà-vu – erinnert mich das doch fatal an den beschämenden Umgang mit Peter Laskowski. Der gebürtige Hesse machte sich seit Wendezeiten nicht nur um den Aufbau der SPD in Gotha, sondern auch in Thüringen verdient, war 1990/91 sogar kurzzeitig Landesvorsitzender. Als Erster Stadtrat und Kämmerer im Gothaer Rathaus gestaltete er mit Werner Kukulenz die ersten, entscheidenden Jahre. Als 1994 seine Partei mit ihrem OB-Kandidaten Volker Doenitz obsiegte, war kein Platz für den Mann der ersten Stunde. Verwunden hat er dies nie, kam beruflich wie privat nie wieder richtig auf die Beine. 2003 starb er – seelisch schwer verwundet, körperlich gebrochen.

Abschiede. Einen hatten Aschenbrenners auch ganz privat. Gelegentlich boulevardesker Anwandlungen des Autors war in dem geschätzten Druckwerk „Oscar“ zuweilen von den Stubentigern der Familie zu lesen. Der dienstälteste und wegen seiner Vorliebe fürs gleiche Geschlecht von meinem Eheweib despektierlich, aber durchaus liebevoll „Stubenschwuchtel“ genannte Willi verließ am 30. Dezember spätabends nach einem berauschenden Tête-à-tête mit einem Baldriankissen die heimischen Gefilde und ward seither nicht mehr gesehen. Der Tierarzt unseres Vertrauens, Wolfgang Güth aus Remstädt, dem Willi nicht nur einmal sein Leben verdankte, bemerkte dazu mit tröstender Absicht: „Katzen sind wie Indianer. Auch die gehen, wenn sie fühlen, dass es dem Ende zu geht, in die Prärie und kehren nicht mehr heim…“

Er irrte.

Reichlich drei Wochen später stand Willi vor der Tür. Ausgemergelt, nur noch Haut und Knochen. Aber wir haben ihn wieder hochgepäppelt. Master Güth meinte allerdings: „Jetzt hat er aber wirklich auch sein siebtes Leben aufgebraucht …“

(Kolumne im „Oscar am Freitag“, Ausgabe Gotha, vom 29. Januar 2010)

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