Oscar-Kolumne: Live aus dem Schlachthof

Mühsal mit Muhsal. Die hatte „Oscar“-Oberindianer Maik Schulz. Aber nicht Wiebke Muhsal bereitete Mühsal. Dafür sorgten andere, bevor am 28. April die AfD-Politikerin Gast beim Talk von „Oscar am Freitag“ im „Londoner“ war.

Schulz ist ein Dickschädel. Er wollte Björn „Bernd“ Höcke in den „Schlachthof“ laden – nach dem „Rumble in the (Social-Media-)Jungle“ und der Gothaer November-Revolution wegen des abgesagten AfD-Auftritts im „Lindenhof“. Sie erinnern sich?

Doch Höcke, der AfD-Vormann, entgleiste in Erfurt vorm Dom. So sehr, dass selbst das anerkannt dicke Fell vom „Oscar“-Schulz perforierte. Also setzte der Plan B um. Und deshalb bekam Wiebke Muhsal, die AfD-Fraktionsvize und familien- und bildungspolitische Sprecherin, eine Einladung.

Das annoncierte Schulzens Maik im Januar-„Oscar“ – ohne dass es jemanden kratzte. Als er aber im vorigen Heft kund tat, dass er es wirklich ernst meine, den dürren Worten tatsächlich Termin-Taten folgen, löste das die März-Unruhen aus: Barrikaden wurden errichtet, verbale. Zum Boykott aufgerufen: „Kauft nicht bei…“ Die Mobilisierung für den Häuserkampf erfolgte: „FCK ,The Londoner’!“ Schulz wurde gar als „Faschist“ beschimpft.

Den demagogischen Donnerhall jener, die sich dabei auch noch als Bewahrer der Demokratie aufspielten, kommentierte Martin Debes, Chefreporter der „Thüringer Allgemeine“, so: „ Wer der AfD Argumente liefern will, der muss sich nur so benehmen wie diese Leute, die in Gotha Stimmung gegen Maik Schulz machen. Sie sind borniert, dumm und am Ende nicht weniger gefährlich als die, die sie angeblich bekämpfen wollen.“

Politische Auseinandersetzungen sind mit politischen Mitteln zu führen. Das gilt allgemein. Für Journalisten, die ihren Beruf und dessen Ethos ernst nehmen, umso mehr. Ich halte es dabei mit Hanns Joachim Friedrichs: „Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.“ Nachzulesen im „Spiegel“ Nr. 13/1995 vom 27. März 1995.

Genau deshalb war und ist notwendig, was „Live im Schlachthof“ passierte. Weil es Maiks und meinem Urverständnis von Demokratie entspricht: „Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.“

Das stammt übrigens nicht von Voltaire. Obwohl es oft behauptet wird. Das entsprang der Feder von Evelyn Beatrice Hall (1868 – 1956). Die englische Schriftstellerin schrieb unter dem Pseudonym S. G. Tallentyre u. a. „The Friends of Voltaire“ (1906), in dem das oft Zitierte nachzulesen ist: „I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it. – Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.“

Ein echter Voltaire ist hingegen: „Es ist klar, dass jeder, der einen Menschen, seinen Bruder, wegen dessen abweichender Meinung verfolgt, eine erbärmliche Kreatur ist.“

Genau so ist es.

(Kolumne, veröffentlicht im “Oscar am Freitag”, Ausgabe Gotha, am 29. April 2016)

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