Nach uns die (Daten-)Sintflut

Die Pressefreiheit in Deutschland ist in Gefahr. Aber kaum einer nimmt davon Notiz. Warum, darüber sprachen am Vorabend des Landesverbandstages 2007 Journalisten und ihre Gäste mit DJV-Justitiar Benno H. Pöppelmann und Dr Lutz Hasse, Referatsleiter beim Thüringer Datenschutzbeauftragten.

Orwell mangelte es an Phantasie. Sein „1984“ mutet angesichts aktueller Überwachungs-Wirklichkeit harmlos an. Der Kontroll-Wahn kennt keine Grenzen. Hightech-Voyeure von Staats wegen sind unterwegs. Dank des grün-roten Wechselbalgs Schily haben wir seit 2005 den Festplatten-Salat: er ordnete das Ausspähen privater PC an – ohne gesetzliche Beihilfe des Bundestags. Die hat sein Nachfolger Schäuble: wer mit wem telefoniert, wer wo im Internet surft und wer wem was mailt – all das wird sechs Monate gespeichert. Falls bei Hempels unterm Sofa Al Kaida auftaucht…

Nein: es ist nicht witzig, was passiert. Und ohne öffentlichen Widerstand. Wieso auch? Videoüberwachung in der Tiefgarage, Kameras in der U-Bahn – alles nichts Neues. “Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich nicht zu sorgen“, sagen nicht bloß Schäubles Daten-Freaks. Aber: Sollte der Staat so viele Daten von uns haben wie möglich oder nur wie nötig? Was aber ist „nötig“?

Auch die Gothaer Runde zeigte: Angenehm für datensüchtige Politiker ist – wir machen es ihnen leicht. Hier eine Rabattkarte, dort fix mal wegen eines Werbegeschenk einen Fragebogen ausgefüllt. Nicht bloß mit dem Handy und der Kreditkarte legen wir also fette Datenspuren…

Innenminister Schäuble hatte zudem ein treffliches Argument: Er setze nur in deutsches Recht um, was Euro-Parlamentarier forderten.

Und: Aus Europas Perspektive scheint das Thema nicht so heiß gegessen zu werden, wie in Deutschland (hoch-)gekocht. Andere Journalisten-Verbände der 27er Staatengemeinschaft hätten dem Ganzen gelassen bis uninteressiert entgegengesehen, mußte ein darob sichtlich betrübter Benno Pöppelmann einräumen.

Der Bundestag hat übrigens am 18. April die Gesetzesänderung zur Telekommunikationsüberwachung durchgewunken. Der DJV brandmarkte dies als „Schlag gegen den Informantenschutz und die Freiheit der Berichterstattung“. Der 20-Uhr-Tagesschau war es eine 10-Sekunden-Meldung wert…

 

(in: DJV Thüringen „spezial“, 2-2007, S. 3)

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