Das Wort zum MUTwoch: Oster-Grass

Im Hause Aschenbrenner hat man mehr als eine Mattscheibe, daher keinen Kampf um die Fernbedienung. So musste ich Ostersonntag nicht den „Tatort“ besichtigen, sondern ließ mir brutalstmögliche Aufklärung durch Georg Schramm verpassen – bei politischem Kabarett der guten alten Schule auf ZDFkultur. Eine seiner bitterbösen Wahrheiten:

„Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan dauert schon länger als der letzte Krieg, den wir Deutschen verloren.“

Die Lacher darauf fielen spärlich aus. Das lag nicht daran, dass wir keinen Humor jenseits der fünften Jahreszeit hätten. Das lag auch nicht daran, dass sich gerade die öffentliche Debatte um Günter Grass und sein „Was gesagt werden muss“ hochschaukelte.

Es liegt daran, dass die Kultur der politischen Debatte in Deutschland seit Ende der 1960er-Jahre verarmt.

Ohne Frage darf hierzulande jeder eigener Meinung sein. Doch nur, wenn sie nicht gegen jene ist, die – von wem eigentlich? – zur öffentlich korrekten erklärt wurde. Sonst ist im Handumdrehen jeder, der der militärischen Strategie der USA in Afghanistan keinen Beifall zollt, antiamerikanisch und wer Israels Siedlungspolitik kritisiert, ein Antisemit.

Unser Literatur-Nobelpreisträger nun hat allerdings doch zu viel Blech getrommelt, Zwiebeln zu oft die Häute abgezogen. Sein Gedicht ist keines. Und auch keine ernsthafte Wortmeldung – Grass relativiert sich schließlich nun schon selbst. Obwohl er grundsätzlich Recht hat, machte er sich angreifbar. Weil er unscharf formulierte.

Dass es besser geht, zeigt dies:

„Wie wird eine Fußballmannschaft unbesiegbar? Durch jüdische Stürmer. Die dürfen nicht verfolgt werden …“

Sie dürfen über diesen Witz lachen! Weil ihn der Jude Oliver Polak (Jahrgang 1976) erzählt. Im Programm „Jud süß-sauer“ spiegelt er selbstironisch das Verhältnis nichtjüdischer und jüdischer Deutscher:

„Lassen Sie uns unverkrampft miteinander umgehen: Ich vergesse die Sache mit dem Holocaust. Und Sie verzeihen uns Michel Friedman.“

und:

„Ich bin bei eBay Verkäufer. Die bekommen dort Kundenbewertungen – für zehn positive gibt es einen Stern. Einen gelben. Wie sich doch die Zeiten ändern!? Vor 70 Jahren hätte schon eine negative Bewertung vom Nachbarn dafür gereicht.“

Das ist so gut, darüber wächst dann auch kein Grass mehr …

Oliver Polak/Jens Oliver Haas:
„Ich darf das – ich bin Jude“,
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008, ISBN 978-3-462-04050-0

 

(Mittwochs gibt es “Das Wort zum MUTwoch” im Blog vom thueringen-reporter)

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