Das Wort zum MUTwoch: Morgengrauen

50 Jahre hat meine biologische Uhr auf dem Buckel. Genug Zeit, sich ordentlich einzulaufen. Ich ticke demnach recht konstant. Bin keine Lerche, sondern Eule. Vermeide es, früh aufstehen zu müssen. Und liebe die Nacht.

Wer von mir vor zehn Uhr intellektuelle Höchstleistungen erwartet, dem verweigere ich mich. Ohne vorherige Koffein-Infusion geht sowieso gar nichts. Ein ahnungsloser Erstlingstester meines Türkentrunk-Konzentrates verschluckte sich einst, um mir dann purpurroten Gesichts die berühmte weiche Stelle an der Schläfe zu zeigen: „Du hast doch nicht alle!“

Doch. Habe ich.

Als bekennender Morgenmuffel, der ich bin, hasse ich logischerweise auch superduper gutgelaunte, dauerplappernde und grinsebackige Moderatorinnen und Moderatoren in Radio und Fernsehen der Marke „Fröhlich sein und singen“. Wo ich kann, entziehe ich mich dem Einfluss solcher zudem meist auch noch superduper oberjunger infantiler Radaubrüder und -schwestern. Das bildgewaltige Wort „Morgengrauen“ bekommt ihretwegen für mich immer wieder aufs Neue einen ganz eigene Bedeutung. Da lobe ich mir mein „DeutschlandRadio Kultur“ … – übrigens nicht nur am Morgen.

Nicht immer aber gelingt die Abstinenz von der Frohsinns-Pestilenz. Vor allem, bin ich auf Reisen oder anderweitig Gast. Als solcher besitzt man schließlich keine Hoheit über Fernbedienungen oder Sendersuchknöpfe. Positiver Nebeneffekt: Unweigerlich erfolgt Ausschüttung von Adrenalin. Das wiederum kompensiert das Anregungs-Defizit, das fremd gebrauter Kaffee hinterlässt. Bin ich fern der Heimat – selbst gut rasiert! -, neige ich deshalb häufig dazu, abzuwarten und Tee zu trinken.

All das nutzt aber derzeit gar nichts. Die doofe Zeitumstellung nervt mich wieder! Auch 32 Jahre, nachdem das erste Mal an den Zeigern gedreht wurde, ist das noch so. Was wiederum dafür spricht, dass die Lerchen-Eulen-Problematik genetisch fixiert ist. Keiner kann also etwas dafür, dass er Morgenmuffel und folglich Nachtfalter ist oder aber schon mit den Hühnern in die Federn geht.

DAS sollte man(n und frau) unbedingt erörtern, bevor sie sich in der einen oder anderen Art aneinander binden: Verschiedenen Geschmack zu haben, strengt zwar auch an. Aber unterschiedliche Biorhythmen zu haben, ist einfach nur liebes- und sonst auch alles andere –tötend.

Ist übrigens ein pointierte Randglosse der Geschichte, dass sich die Bundesrepublik 1980 mit der DDR auf eine einheitliche Sommerzeit vertraglich und zwischenstaatlich einigen musste. Europas freiheitlicher Westen hatten nämlich schon 1977 sommers der Zeit eine Stunde Vorsprung gegeben. Das war der – wie ich heute noch finde – blödsinnigste Versuch, Lehren aus der 1973er Ölkrise zu ziehen.

Man stelle sich das mal vor! Die greisen Politbürokraten in Ost-Berlin hätten dem Westteil der Stadt eins auswischen können – allein dadurch, dass sie nicht mit der Zeit der Rest-BRD gegangen wären: Jeder Grenzübertritt nach Westberlin wäre im doppelten Sinne ein „Zurück in die Zukunft“ gewesen.

Aber weil wir in Europa uns alle so lieb haben und harmoniesüchtig sind, vereinheitliche die Europäische Union 1996 auch noch kontinental den Beginn der Sommerzeit.

Deshalb ist sie jetzt noch einen Monat länger. Mein guter Rat daher: Mein Morgengrauen ging in die Verlängerung. Niemand möge mich deshalb bis Ende Oktober vor 11 Uhr anrufen!

(Mittwochs gibt es “Das Wort zum MUTwoch” im Blog vom thueringen-reporter)

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