Das Wort zum MUTwoch (83): Schwanzbefreite Zone

David_von_MichelangeloAls ich noch einen Knackarsch hatte, zeigte sich manches Weib deshalb begeistert. Das schmeichelte mir ausdrücklich, weil ich ansonsten kaum körperliche Vorzüge in die Waagschale werfen konnte. Und andere Vorteilhaftigkeiten brauchten zumindest ein gewisses Maß an Vertrautheit, bevor ich von ihnen Gebrauch machte.

Niemals wäre ich allerdings auf die Idee gekommen, mich zu ereifern: „Hilfe, ich werde diskriminiert!“

Um das zu empfinden, musste ich fast 52 Jahre alt werden.

Irgendwo im hohen Norden Thüringens, hinter der Hohen Schrecke. Dort versammelten sich Tischlerinnen.  Seit 1991 gibt es eine bundesweite Vereinigung der Holzwürmerinnen.  Jedes Jahr treffen sie sich auf ein langes Wochenende. Ich sollte davon in der „Deutschen HandwerksZeitung“ für einen Kunden Kunde geben.

Daraus wurde aber nichts.

Kaum dass ich meinen Dieselwiesel verließ, fühlte ich mich erdolcht. Von Blicken, die mir die zahlreich anwesenden weiblichen Wesen zuwarfen. Unverstohlen unverhohlen waren sie. Manche blinzelten pikiert. Andere schüttelten irritiert den Kopf. Die nächsten warfen provozierend-protestierend vorhandenes und auch nicht vorhandenes langes Haar über schmale bis auch seeehr breite Schultern. Das sollte wohl bedrohlich wirken – dennoch traute ich mich ins Allerheiligste, ins Org.-Büro.

Um gleich wieder ’rauskomplimentiert zu werden. „Männer“, so sprach die Organisations-Obere, „Männer sind hier nicht willkommen!“ Das „MÄNNER“ versah sie mit einem sehr energischen Unterton. Ich unterließ daher den Verweis auf die 30 % Mädchen, die ich sei.

Mehr als 30 Jahre bin ich nun schon als Wortdrechsler im Job. Da habe ich viel erlebt: Wurde mit Essen in Kindergärten beworfen. Bekam auch schon einmal eine echt kräftig gebrauchte Windel um die Ohren und Backpfeifen von einer resoluten Wirtin. In Kassel, im vorigen Jahrtausend, Anfang der 1990er-Jahre, geriet ich einmal sogar unversehens und versehentlich in eine Fortbildung feministische Freiheitskämpferinnen …

Immer aber rettete ich meine Haut und die Berufsehre. Und selbst vom Feministinnen-Festival brachte das couragierte Schreiberlein journalistische Konterbande mit in die Heimat.

Doch Großlohra wurde mein Waterloo.

Unser Wortwechsel währte nicht lang. Ich machte kurz auf Mitleid: Sei ein armer Freiberufler, jetzt knapp 100 Kilometer durchs Land gefahren und müsse nun unverrichteter Dinge abziehen. Außer Spesen sei dann nichts für mich drin gewesen.

„Doch“, sagte das resolute Räumkommando: „Sie machen eine neue Erfahrung.“

In der Tat.

Ich klemmte also meinen unwillkommenen Schwanz ein und zog von hinnen.

Irgendwie musste ich hernach mein Leid der Welt klagen. Vor allem der virtuellen.

Die Reaktionen auf Facebook waren dann doch irgendwie wie erwartet:

Homerisches Gelächter erscholl aus Arnstadt von Freundin Sandra E.
Ingo L. sprang mir bei und empörte sich: „Das ist ja diskriminierend!“
Nick D. riet – mit eindeutig beruflichem Interesse – zu häufigerer Rasur und „etwas femininerem Touch“.  Auch Jürgen L. aus Auckland schlug vor, auf „Mrs. Doubtfire“ zu machen.

Kollegin Sch. aus T. hingegen meinte gar, ein Outing würde helfen: „Sag, du bist schwul.“

Wirklich entspannt war ich aber erst, als Jay D. aus G. sich meldete. Der holte mich von der Palme mit dem Hinweis, dass das ja kein GAU – kein „größter anzunehmender Unbill“ – gewesen sei. Ich wäre sicherlich lang nicht so schadlos davon gekommen, „wäre das ein Treffen russischer Panzerschlosserinnen gewesen“.

Das erzeugte dann bei mir Kopfkino, dass ich heilfroh war, unversehrt der schwanzbefreiten Zone entkommen zu sein.

Seit 29. Februar 2012 gibt es “Das Wort zum MUTwoch” in der

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