Das Wort zum MUTwoch (64): O(h)rale Botschafter

Pfingsten ist für mich oft ein Grund zum Reisen. 2013 auch. Dieses Mal trieb es mich in den Süden meiner Sehnsüchte. Nach Garmisch-Partenkirchen und zum Kleinkind. Im August werden es acht Jahre, dass sie dort ist. „Das Wochenende wird schön“, lautete kurz vor Reiseantritt die einladende Botschaft aus gut 500 km Entfernung: „Der Fön ist da …“

Hier hingegen war Weltuntergangs-Freitag mit Sturzfluten, Hagelschlag und Schlammsturzbäche. Das motivierte zusätzlich zum Aufbruch nach Oberbayern.

Mit dem Passieren der Landesgrenze klarte der Samstagshimmel auf. Klärchen knutschte den regenfeuchten Autobahnbeton hast-du-nicht-gesehen trocken.

Und noch mehr gute Laune verbreiteten die Radiomacher von Bayern 1. Die hatten das Pfingst-Wochenende unter das Motto „Die beste Musik aus Bayern“ gestellt. Gassenhauer wie der „Skandal im Sperrbezirk“, immergrüner Schmusepop von „Münchner Freiheit“ oder „Pur“ und solche Volksfestzelthymnen wie „I wü nur zruck zu dir“ von Nickerbocker & Biene kamen. Dass „Axel F.“ – die ohrwurmige Titel-Melodie von „Beverly Hills Cops“ – das weltweit bekannteste Stück bajuwarischen Liedguts ist, weiß ich nun auch, denn Harold Faltermayers alias Harald Faltermeier ist gebürtiger Münchner …

Aber auch jenseits des blau-weißen Äquators selten Gehörtes wie Claudia Koreck, der Altöttinger Songwriter Alfons Hasenknopf, die Klima-Schwestern aus dem Chiemgau oder die großartigen A-capella-Burschen von „Viva voce“ erklangen. Auffällig oft; ja fast ausschließlich in Mundart. Zugegeben; nicht immer verstand ich alle Texte oder die Moderationen. Trotzdem kam deren selbstbewusste und sehr sympathische Botschaft an: Mia san mia!

Keine Frage: Die bayrischen Stämme Altbayern, Franken und Schwaben waren schon immer etwas anders als all die anderen deutscher Zunge. Man kann sich über deren meist krachlederne Urigkeit amüsieren, deren scheinbar übertriebenen „Nationalstolz“ belächeln. Womöglich steckt in vielen Sticheleien aber auch ein wenig Neid. Neid darauf, dass sich scheinbar südlich des Rennsteigs Heimat anders buchstabiert als hier.

Ich kann nur den MDR-Kollegen wünschen, dass sie auch einmal auf eine solche Idee wie die Radiomacher von BR 1 kämen. Gute Bands, gute Stimmen gibt es hier ebenfalls. Doch die anhaltende ostrockige Verklärtheit sorgt dafür, dass vor allem „Hits made in Thüringen“ aus längst vergangenen Tagen immer wieder aus den Boxen dröhnen: Nichts gegen die Wölfiserin Vroni Fischer, die Erfurter Rockröhre Petra Zieger, den Puffbohnen-Blues-Barden Jürgen Kehrt oder die ewige „Jugendliebe“ Ute Freudenberg – die sich auch mal „Heather Jones“ nannte! – aus Weimar.

Sie eint, dass sie ihre besten musikalischen Tage schon hatten.

Thüringen is(s)t mehr als Bratwurst. Klare Sache!

Thüringen droht musikalisch aber im Ost-Oldie-Orkus zu landen. Clueso mag da eine Ausnahme sein. Die aber die Regel bestätigt: Jüngere Bands und auch die ganz jungen sind selten über die Grenze ihres Landkreises, geschweige denn des Freistaates hinaus bekannt.

Als MDR Radio Thüringen vor einiger Zeit dem deutschen Schlager die Studio-Tür wies, war die Aufregung vor allem der Generation 60+ groß. Programmchef Matthias Gehler wollte aus dem „Schunkel-Heimatsender“ ein jüngeres, frischeres Radio machen …

Guter Plan, Meister Gehler! Aber rufen Sie mal Ihren Kollegen Maximilian Berg an, den Programmchef und Redaktionsleiter bei BR 1: Der kann Ihnen erklären, wie das wirklich geht. Heimatverbundenheit muss nicht einmal spießig sein.

Das habe ich nach fast 1.000 km musikalischer Weltreise durch bisher eher unbekannte bayrische Gefilde gelernt.

Seit 29. Februar 2012 gibt es “Das Wort zum MUTwoch” in der

Außerdem erscheint seit Dezember 2002 im “Oscar am Freitag” in der Lokalausgabe Gotha am jeweils letzten Freitag im Monat meine gedruckte Kolumne “Der Aschenbrenner hat das Wort”; die hier auch anschließend veröffentlicht wird.

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