Das Wort zum MUTwoch (52): Blaufrau

Nein. Es geht heute nicht um Pferdefleisch in Lasagne oder schwedischen Möbelhaus-Klopsen. Nicht um faule Bio-Eier oder andere Unappetitlichkeiten. Unser aller Ess- und Einkaufsverhalten ändert sich durch solche Skandälchen und Skandale doch nicht …

Heute geht es um Sexismus.
„Stimmt!“, werden Sie sagen: „Darüber haben wir schon länger nicht gesprochen.“

Klar, denn fast unbemerkt ist das journalistische „Stern“chen Laura Himmelreich erloschen. Ob und wie sie ein Dirndl füllt, ist Deutschlands Medien-Szene schnuppe. Und selbst emanzipatorische Vorkämpferinnen wie Alice Schwarzer ignorieren Brüderles Rainer. Der süffelt weiterhin Wein, wird unangefochten seinen besonderen Charme versprühen …

130222 Gesellen GTH-UH Stefanie IllhardtDeshalb muss ich hier das Thema aufgreifen. Und Schuld hat Stefanie Illhardt. Die Ballstädterin kam mir jüngst auf journalistischer Safari vors Rohr und den Block.

Ich war zwar nicht im Auftrage des Herrn unterwegs, sondern für die „HandwerksZeitung“. In Westhausen feierte die Kfz-Innung Westthüringen ihren Gilde-Nachwuchs. Und Stefanie war allein unter 47 Kerlen. Das störte die kecke Kfz-Kennerin allerdings nicht. Schließlich traf sie einst ganz freiwillig diese Berufswahl als Folge einer Gewissensentscheidung: Mutter Ines im Haushalt helfen – oder Papa Ralf beim Schrauben in der Werkstatt.

Noch sind Mädels in der Kfz-Branche rar. Das erfreute allerdings Hubert Kilian. Der kennt die junggesellige Truppe nicht nur bestens – er leitet schließlich die Bildungsstätte der Kfz-Innung Westthüringen. Er ist auch ein großer Charmeur. Und deshalb bekam Stefanie die Bühne in der „Waidmühle“ für sich und ihren Gesellenbrief ganz allein.

Der Vater hatte zwar einst Schuld an der Berufswahl der Tochter. Das Kfz-Einmaleins wie auch den finalen Feinschliff zur Jung-Gesellin wurde ihr jedoch bei der Senger-Kraft Automobile G mbH in Schwabhausen verpasst. Dass sie die Lehrstelle dort bekam, hat sie auch den damaligen Alt-Gesellen zu verdanken. Nach drei Tagen Probearbeit wollten die unbedingt Stefanie haben – und nicht ihren männlichen Mitbewerber.

Für ein halbes Jahr ist sie erst einmal übernommen. Wie es dann weitergeht? „Mal sehen, was sich dann findet – ich bin aber optimistisch“, zeigt sich die junge Frau offen für alles und zog ein folgenschweres Fazit: „Schließlich musste ich auch nicht lange nachdenken, als ich den Blaumann der Schürze vorzog …“

Und da war er wieder – der scheinbar harmlose Sexismus der deutschen Sprache.
„Blaumann“! Bin bisher selbst nicht darüber gestolpert. Lina van de Mars – die Vorzeige-Frau des deutschen Kraftfahrzeug-Handwerks – schraubt zum Beispiel in schicken Jeans und schulterfreien T-Shirts auf VOX. Wohl auch, damit man(n) ihre geilen Tattoos sehen kann …

Gut. Wir haben den Höhepunkt der geschlechtlichen Gleichstellung in Sachen Schrift- und sonstiger Sprache hinter uns. Die großen Aufreger sind weg.

Mich wunderte trotzdem, dass sich die Szene der Silben-Sufragetten mit einem Apendix abfand. Männliches wurden schließlich einfach durch ein „/-Innen“-Anhang verweiblicht.

Das geht aber bei „Blaumann“ nicht.
Machen wir also eine „Blaufrau“ daraus 🙂

Habt Mut und genießt den Mittwoch!

Seit 29. Februar 2012 gibt es “Das Wort zum MUTwoch” in der

Außerdem erscheint seit Dezember 2002 im “Oscar am Freitag” in der Lokalausgabe Gotha am jeweils letzten Freitag im Monat meine gedruckte Kolumne – “Der Aschenbrenner hat das Wort”; die hier auch anschließend veröffentlicht wird.

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