Das Wort zum MUTwoch (26): Steinmetz, Personenschützer, Straßenbaumeister

Vorigen Donnerstag. A2, kurz nach Marienborn, auf dem Weg nach Berlin. Der Kilometerzähler meines Dieselwiesels flutscht eins weiter. Was bedeutete, dass ich Ende August schon zu drei Viertel ums Erdenrund genagelt bin. 30.000 km auf dem Wege zu Kontakten, Kunden und Kohle …
Der Blick auf aktuelle Dieselpreise vergrämt mir allerdings die berufliche Rumtreiberei. Ist derzeit ein wenig wie Salami nach dem Schinken werfen: Mein Honorar orientiert sich meist noch am Preisniveau von 2002. Deshalb war ’s umso schöner, nur mal eben für die „Deutsche HandwerksZeitung“ nach Großbreitenbach in den Ilmkreis zu müssen. Zu Tilo Zimmermann:

Braungebrannt. Breitschultrig. Bürstenschnitt. Ein Schwarzschopf mit graublauen, wachen Augen. Verschmitzt lächelnd. Ein Kumpel-Typ. Einer zum Pferde stehlen. Oder einer, dem man sein Leben anvertrauen könnte. Dazu aber später.

Als ich ihn treffe, schiebt der Wind fette, grau-weiße Wolkenschiffe über den azurblauen Himmel. Auf einer Freifläche hinter einer Halle – ein beachtlicher Fuhrpark Baumaschinen. Davor steht Tilo. Leicht breitbeinig, die Daumen hinters Koppelschloss gehakt. Nicht ganz so akkurat wie einst als Feldjäger und Personenschützer. Aber 12 Jahre beim Bund stecken ihm in den Knochen. Und nicht nur da.

Denn jetzt ist anderes wichtig. Der mdr kommt, will vom 10.000. Meister berichten, den die Handwerkskammer Erfurt ausgebildet hat. Den Lehrgangsbesten. Tilo arrangierte seinen Maschinenpark adrett. Der Kerl hat aber auch das Firmenlager aufgeräumt und richtig „besenrein“ gemacht. Die Fernseh-Leute werden sich deshalb die Haare raufen: SO sieht es doch nicht in einem Straßenbaumeisterbetrieb aus?!?

Tilo hat aber immer einen Plan B. Fürs TV-Team ist eine aktuelle Baustelle „präpariert“. Schicke Bilder lassen sich drehen – wie er auf Knien rutscht und Naturstein pflastert. Nur eine der Spezialitäten der Drei-Mann-Firma. Deshalb hat die ordentlich zu tun. „Die Bücher sind voll. Auch für 2013 gibt es schon Aufträge.“ Stolz blitzen die Augen.

Tilo Zimmermann ist Herschdorfer. Von ganzem Herzen. Aber er wollte ebenso so gern aus der Beschaulichkeit des Fleckens im Ilmkreis in die weite Welt. Zum Bund zu gehen, das stand schon früh fest. Aber „Lern‘ erst mal was Ordentliches …“ – so setzten die Eltern dem 1979 geborenen Sohne zu. So lange, bis er Steinmetz in der Firma Heinze in Königsee wurde. Chef dort war der Vater eines Freundes, interessante Ferienarbeit besiegelte den Lehrstellen-Pakt.

Danach zog er die Tarnklamotten an. Der Job als Personenschützer – sein Traum. Vier Einätze in Afghanistan gehörten dazu. War mit anderen im kleinen Team verantwortlich für Leib und Leben kommandierender Generale. Und auch für den damaligen Kanzler Schröder. Die Nummer brachte Tilo 2004 sogar in die BILD.

„Rambos sind aber bei dem Job nicht gefragt.“ Cool zu bleiben, bedeute dennoch, zum Einsatz zu fahren und dann konstant 180er Puls zu haben. Geschossen wurde oft auf ihn und seine Truppe. Dem Tod begegnete er glücklicherweise nicht. Es habe aber nicht nur ihm gereicht, dass einer der Kameraden schwerstverletzt worden sei, nur eine Amputation sein Leben rettete.

Völlig unrealistisch seien Darstellungen von Bodyguards in allen Filmen – nicht nur Action-Krachern aus Hollywood. Unauffällig zu sein, dennoch hellwacher Sinne. Zugehörig zur Familie „seiner“ Schutzbefohlenen und trotzdem im Hintergrund – das war sein Job. Noch heute halten einige Prominente Kontakt. „Völlig normale Leute, hoch intelligent, mit unglaublich viel Verantwortung und deshalb jeder Menge Stress.“

Nach seinem vierten Einsatz 2006 lernte er im Heimaturlaub beim Fasching „seine“ Corina kennen. 2009 übernahm der „kleine“ Karl das Kommando. Tilo quittierte den Dienst. „Familie hatte Vorrang.“ Heute umso mehr, da auf Karl bald Leo folgte.

Zimmermann macht nicht viel Aufhebens um sich. Aber sieht man, welche Qualifikationen der Bursche beim Bund erwarb, wird manches klar. Was er macht, macht er richtig. Und mit Verstand: In Schwiegervaters Firma zu gehen, stand im Raum. Deshalb setzte sich der 30-Jährige ausgebildete Steinbildhauer mit 16-, 17-Jährigen bei der Umschulung zum Straßenbauer auf eine Bank. „Die hatten Respekt.“ Er konnte – weil ja schon ein Beruf habend – eine Ausbildungs“abkürzung“ nehmen. Trotzdem fiel es ihm nicht leicht. Doch Disziplin und Ehrgeiz halfen. Am Schluss stand ein „sehr gut“, weshalb die Meisterausbildung sofort folgte.

Im Juni nahm er die letzte Hürde. Wieder mit bestem Ergebnis. „Klare Sache! Beim Bund gilt: ,Gibt man einem Feldjäger eine Aufgabe, ist man sicher …’“

Er schmunzelt, hakt die Daumen hinters Koppelschloss. Steht leicht breitbeinig da – nicht so akkurat wie einst als Personenschützer. Aber die Erfahrungen von damals, die stecken noch in den Knochen – und eben nicht nur da.

Mittwochs gibt es seit 29. Februar 2012 “Das Wort zum MUTwoch” im thueringen-reporter.

Außerdem erscheint seit Dezember 2002 im “Oscar am Freitag” in der Lokalausgabe Gotha am jeweils letzten Freitag im Monat meine gedruckte Kolumne – “Der Aschenbrenner hat das Wort”; die hier auch anschließend veröffentlicht wird.

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