Das Wort zum MUTwoch (21): Der Landraub zu Lucka

Wir haben die Sachsen über’n Tisch gezogen! Bis Ende des Jahres regelt ein Staatsvertrag die „Vermessung der Welt“ bei Lucka neu. Dann wird Thüringen neun Quadratmeter größer. Neun Quadratmeter, die wir dem östlichen Nachbarn durch beharrliches Verhandeln und kluges Taktieren entrissen haben …

Lucka? Nie gehört?
Ist ein 4.000-Seelen-Städtchen im Altenburger Land; grenzt an Sachsen und Sachsen-Anhalt.. Nach aktueller Sachlage könnte man es auch das mitteldeutsche Bermuda-Dreieck nennen.

Obwohl „schwarzes Loch“ präziser wäre: Der Staatsvertrag regelt nämlich die Neuverteilung einer Müllhalde. Auferstanden aus Ruinen einer Brikettfabrik. Die wurde schon in den 1960er-Jahren stillgelegt und abgerissen. Hieß – welch feine planwirtschaftliche Ironie! – auch noch „Phönix“!

Doch statt wie der sagenhafte Piepmatz aus seiner Asche, stieg dieser seltsame Vogel aus dem hässlichen Loch auf, das der Abriss der Dreckschleuder hinterließ – auf dem Abraum des sächsischen Tagebaus Groitzsch. Von Ende 1977 bis Mitte der 1990er-Jahre wuchs eine 35 Meter hohe Pest-Tagebaurest-Beule aus der Landschaft.

Die ist zwar inzwischen rekultiviert. Aber die Mächte der Märkte sorgten dafür, dass real existierende topografische nicht mehr mit den politischen Grenzen überein stimmten. Auf der Luckaer Hochebene entstand nämlich ein Gewerbegebiet. Jetzt will ein potenter Investor für blühende Tagebaufolge-Landschaften sorgen – mit einem Solarpark. Blöd bloß, dass mitten durch den mit Steuergeldern hoch subventionierten Sonnenstrom-Sammler gleich drei Landesgrenzen gehen.

Der MDR als Drei-Länder-Anstalt ist schon eine verzwickte Angelegenheit. Jetzt aber auch noch ein Drei-Länder-Gewerbegebiet, offensichtlich auch noch ohne Staatsvertrag genehmigt?

So etwas nennt man einen Missstand. Und Missstände in deutschen Landen gehören sich nicht.

Deshalb wurde zäh verhandelt. Zehn Jahre saß man am Tisch. Die abschließende Anhörung aller Bedenken- und sonstigen Träger vor drei Jahren gab grünes Licht. Nun also werden sich die Landesgrenzen verschieben. Friedlich, ohne kriegerisches Geschrei. Auch wenn die Sachsen neun Quadratmeter heilig’ Vaterland abtreten müssen.

Das Thüringer Kabinett tagte kürzlich dazu. Denn neben den vier Hektar Tauschland zwischen Thüringen und Sachsen gibt es noch 17 Hektar, die zwischen dem Freistaat und Sachsen-Anhalt den Besitzer wechseln.

Eine Geschichte wie aus dem Sommerloch.
Und doch ist sie real.
Felix Thuringia – glückliches Thüringen!

Mittwochs gibt es seit 29. Februar 2012 “Das Wort zum MUTwoch” im thueringen-reporter.

Außerdem erscheint seit Dezember 2002 im “Oscar am Freitag” in der Lokalausgabe Gotha am jeweils letzten Freitag im Monat meine gedruckte Kolumne – “Der Aschenbrenner hat das Wort”; die hier auch anschließend veröffentlicht wird.

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