Das Wort zum MUTwoch (105): … nur ein winziges Schlückchen!

Ab heute wird gefastet.

Nein; nicht die Hardcore-Version mit Sauerkrautsaft und so. Ich könnte zwar auch auf das eine oder andere Speckröllchen verzichten. FDH ist nicht, sondern eher SKT – „Sauf keinen Tropfen …“ Ich will versuchen, bis Ostern abstinent zu sein und keinen Tropfen Alkohol zu trinken.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich bei vollem Verstand war, als ich mein Einverständnis erklärte. Schließlich ist meine Vorliebe für Rotwein legendär.

Ich kalauere gern, dass die Hausärztin meines Vertrauens wegen meines Bluthochdrucks den Genuss von Rotwein em-pfahl. „Ein Glas am Abend kann nicht schaden.“ Sie wusste sicher nicht, dass in meine 575 ml passen – fast eine dreiviertel Flasche.

Zugegeben, pro Tag eine Flasche zu trinken, wie ich es phasenweise tat, ist schon sehr bedenklich. Aber ich kann ja vernünftig sein, mit meinen Süchten umgehen. Heutzutage kommt es sogar vor, dass ich die Neigen auskippen muss, weil sie ungenießbar geworden sind. Alkohol – in welcher Form auch immer – habe ich dennoch fast jeden Tag zu mir genommen.

Allerdings, wenn das mit dem regelmäßigen Rotwein-Konsum stimmen würde, dann wären Italiener oder Franzosen allesamt Alkoholiker.
Sind sie das?
Vielleicht sind sie es ja wirklich?!?
Wer weiß.

Aber ich praktiziere gerade eines meiner beliebtesten Ablenkungsmanöver; nämlich mehr oder minder geschickt das Thema zu wechseln.

Was süchtig sein heißt, weiß ich ganz genau. Ich war nikotinsüchtig in Potenz. Haarscharf unter 60 Kippen am Tag zu bleiben, bedeutete damals schon einen kleinen Sieg. Süchtig zu sein, hieß, alle Taschen zu kontrollieren, ob ausreichend Räucherstäbchen dabei waren. Und wehe, in der Fototasche, der Lederjacke, der Fahrertürablage, dem Schreibtischschub auf Arbeit lag nicht jeweils eine unangebrochene Schachtel. Dann wurde ich kribbelig und hibbelig. Enterte die nächste Tanke und füllte die Vorräte auf. Man konnte ja nie wissen …

Aus dem irrsinnigen Kreislauf brachte mich meine Jüngste raus. Es war kurz vor einem ihrer Geburtstage. Da kam Greta zu mir und erklärte kategorisch: „Papa, brauchst mir nix zu schenken. Hör aber auf zu rauchen. Du stinkst immer so ekelhaft …“

Das traf.
Mitten ins Vaterherz.
Es beschämte mich und es machte mich auch sprachlos.

Abgesehen von zwei kurzen Rückfällen habe ich seit nunmehr über 11 Jahren keine Fluppe mehr angerührt. Mein damaliger „Von-jetzt-auf gleich“-Ausstieg hatte manch unangenehme Nebenwirkung. Launisch zu sein, war noch das geringste Übel. Das gab sich aber überraschend schnell.

Unverändert hingegen ist, dass ich eher ein militanter Nichtraucher bin. Heute noch kann ich mich nicht unter Kontrolle halten, ziehen Freunde und Bekannte genüsslich am Glimmstängel. Dann fahre ich die Erzengel-Gabriel-Flügel aus und mache einen auf Messias.

Albern, nicht?

Nun also promillefrei bis Ostern. Was für eine Herausforderung?!?

Aber ich werde sie annehmen. Nicht zuletzt, weil ich es mir schuldig bin. Weil ich Herr meiner selbst sein will. Sonst bin ich es ja auch immer. Meist jedenfalls.

Als Gorbatschow 1985 Generalsekretär der KPdSU wurde, ging es noch nicht gleich um Glasnost. Zunächst sagte er den allgegenwärtigen Saufen den Kampf an. Vergeblich, wie wir heute wissen. Russen sind nach wie vor einsame Spitze beim Wodka-Vernichten. Und in kaum einem anderen Land dieser Welt trinken sich so viele Kerle so zeitig schon ins Grab.

Aus dem Generalsekretär Gorbatschow jedenfalls machten Spottdrosseln wegen seines Abstinenz-Ukas’ einen „mineralneij sekretar“ – den „Mineralwasser-Sekretär“.

Rückblickend betrachtet, sicher nicht die übelste Nachrede, die ihn treffen konnte. Und darauf trinke ich doch glatt ein Glas guten Gothaer Wassers …

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