Köstlicher Nährwert mit ländlichem Mehrwert (Soljanka)

UWE – „Ukrainische Wurststreifen-Essenz“. So nennt mein Freund und Meisterkoch Andreas Motter Soljanka.

Aber, bei allem Respekt, da irrt Master Motter – bezogen auf die territoriale Zuordnung. Denn wer sich Muße nimmt und auf Spurensuche begibt, wird nicht nur bei Wikipedia fündig. Lobpreiset dennoch die Autoren dieser freien Enzyklopädie, die richtigerweise schreiben:

„Entgegen verbreiteter Rezeptbezeichnungen ist die Soljanka traditionell in der ukrainischen und weißrussischen Küche nicht anzutreffen.“

Ihren Ursprung darf man getrost im Dunkel der russischen Küchengeschichte suchen. Soljanka, nach überlieferter Rezeptur zubereitet, ist eine säuerlich-scharfe Suppe. Bei der Soljanka werden Stschi (Kraut, saure Sahne) und Rassolnik (Salzgurken, Gurkenbrühe) vereinigt. Flüssige und dicke Bestandteile der Suppe bereite man dabei unbedingt getrennt und vereine sie erst wenige Minuten vor dem Servieren!

Heutigentags unterscheidet man nach den vorherrschenden Zutaten drei Arten: Doch auch, wenn Fleisch, Fisch oder Pilze dominieren, werden alle drei Spielarten mit eingelegtem Gemüse wie Gewürz- und Salzgurken oder Mixed Pickles zubereitet.

Das Wundersüppchen wurde zunächst bis zum Ende des 19. Jahrhunderts „seljanka“ genannt – als Fügung von „сельский (sel’skij) – ländlich“ und „село (selo)  – Dorf“. Zunächst fasste man damit ganz verschiedene ländliche – deshalb wohl auch als besonders gesunde – Gerichte zusammen: Darunter waren einerseits Suppen mit Fleisch oder Fisch, Kohl, Gurken, Zwiebeln, aber auch Brot mit Eiern. Zur „Soljanka“ wurde es schließlich, als diverse Salzprodukte („соль (sol) – Salz“) zum Einsatz kamen. Damit war auch die Rezeptur einem Wandel unterworfen. Aber die genaue Etymologie ist wohl eher umstritten …

Wie dem auch sei: Vor allem gelernte DDR-Bürgern können mit Soljanka mehr oder weniger etwas anfangen. Manchen Quellen zufolge sei Soljanka „einer der beliebtesten Eintöpfe“ damals gewesen sein, die hauptsächlich als Vorspeise serviert wurde. Das dürfte dann jene UWE gewesen sein, wie sie Motter meinte.

Wer sich einmal nach originaler(er) Rezeptur so ein Süppchen zu Hause einbrocken will, der gehe wie folgt vor:

Schinken oder Speck mit Zwiebeln anbraten. Dazu Streifen von Gemüse und gebratenem Fleisch geben, seltener Wurst, sowie Tomatenmark. Anschließend mit Fleischbrühe, Fischfond und Salzgurkenlake auffüllen. 5 min. alles köcheln lassen. Dann mit Salz, Pfeffer sowie frischen Kräutern wie Dill, Petersilie und Sellerie abschmecken. Mit Zitrone und saurer Sahne, Kapern und Oliven vollenden.

Und hier als Zugabe die Soljanka Aschenbrenner feat. Zenker (DDR-Soljanka):
Zutaten für 4 Personen zum Sattessen

– 300 g Jagdwurst oder ähnliche
– 1 kleine Zwiebel
– 1 Knoblauchknolle
– 1 Glas (500 ml) Gewürzgurken (Spreelinge sind am besten…)
– 1 Glas (500 ml) Tomatenpaprika (der in Streifen geschnittene!)
– 1 mittelgroße Zitrone oder 2, 3 Limetten
– Salz, Pfeffer, Zucker, Paprika (edelsüß und auch die scharfe Variante)
– Tasse gutes Olivenöl, 50-75 g Butter
– 500 ml passierte Tomaten
– 100-150 ml Tomatenmark
– frischer Schnittlauch, leckerer: Basilikum und Zitronenmelisse

Die Hälfte der abgetropften Tomatenpaprika, die passierte Tomaten und die etwa die Hälfte der Gurkenbrühe in großen Topf geben. Erhitzen, aber noch nicht kochen! Die Wurst schnippeln (Stücke 1 cm lang, 2, 3 mm stark). In Kokosöl (alternativ Ghee oder Butterschmalz) anbraten, in großen Topf geben. Knoblauch in zerlassener Butter (nicht braun werden lassen!) anschwitzen, kurz vor Schluss mehr Temperatur geben und zwei Esslöffel Zucker dazu tun zum Karamelisieren. Dann das Ganze in den Topf. Zwiebeln klein schneiden und anschwitzen. Die Hälfte der Gewürzgurken klein schnippeln (ca. wie die Wurst) und dann ab in den Topf!

Ca. 10 min. köcheln lassen, dann mit Salz und Pfeffer sowie ordentlich viel edelsüßem Paprika und einem Teelöffel Rosenpaprika abschmecken. Es darf durchaus auch Gurkenbrühe dazu, wenn die „saure Note“ noch zu fein ausfällt. Sauer macht schließlich lustig!

Am Besten einen Tag stehen lassen.
Ansonsten auf kleinster Flamme etwa 1 h ziehen lassen.

10-15 min. vorm Servieren aufwärmen, wallen lassen – NICHT kochen! Die restlichen Gewürzgurken schnippeln, die zwei Drittel der gehackten Kräuter dazutun, auch die restlichen Tomatenpaprika. Dünne Scheiben geschnittener Zitrone/Limetten (auch Bio-Ware vorher ordentlich mit einer Bürste bearbeiten und abwaschen oder die schälen – das nimmt aber das Aroma!) dazu tun. Gut 10 min. ziehen lassen.

Auf Teller anrichten mit einer weiteren Scheibe Zitrone/Limette, einem Klecks saurer Sahne/Creme fraiche. Ein wenig von den gehackten Kräutern darüber streuen.

Guten Appetit!

P.S. Wenn ich schon über Soljanka rede oder schreibe, darf ich eine Speise nicht vergessen: Zigeunerbrot. „political correctness“ würde heute daraus „Sinti und Roma“-Brot machen. Ich bin sicher, damals gab es keine rassistischen Beweggründe, die Speise so zu nennen. Wobei sich mir nicht einmal bei längerem Grübeln erschließt, warum das Zigeunerbrot zum Namen „Zigeunerbrot“ kam. Hier geht es zum Blog-Eintrag!

5 Comments

  • Anne Aschenbrenner (#)
    01.08.2010

    Super lecker, hab ich schon nachgekocht und sogar die südfranzösischen Gaumen begeistern können, auch wenn diese anfangs sehr misstrauisch waren 🙂

  • Anita (#)
    02.08.2010

    Du hast das Wichtigste vergessen: Das muss Ketchup ran. Ja, na gut, bei mir muss fast überall Ketchup ran, aber wirklich: Meine Mutter hat an Soljanka zum Schluss immer einen Schuss Ketchup gegeben. Ansonsten klingt das Oriniganl-Aschenbrenner-Rezept aber genau wie das meiner Mutter und dabei sagt man immer, jede Familie im Osten hätte ein eigenes.

    • _Der|Aschenbrenner_ (#)
      02.08.2010

      Ist eine Möglichkeit, abschließend mit Ketchup nachzubessern oder abzuschmecken. Wesentlich: Es sollte wirklich guter sein (meint: nicht mit zu vielen Gewürzen dran …) Ich finde aber, die Tomaten (selbst passierte) geben dem Ganzen schon einen ausgesprochen angenehmen fruchtigen Geschmack. Unter Strich bin ich aber für jeden Rezeptur-Tipp dankbar!

  • […] auf maximal 2 m vereinend. Und „Nein“, es fehlt uns nicht an einem Küchen-Blog; auch wenn mein sensationelles Soljanka-Rezept mit Abstand der meistgeklickte Beitrag des Aschenbrenner-Blogs ist […]

  • […] In dessen Kantine löffelte ich meine erste Soljanka aus. Der Beginn einer großen Freundschaft. Unser Familien-Rezept auf meinem Blog ist mit Abstand der meist gelesene […]

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