Ich hab‘ da mal ne Frage …

Alle tun’s. „Hart, aber fair“ und heute Abend „Monitor“ auch. Alle unterwerfen sich dem unausgesprochenen Diktum: „Laßt uns eine Bilanz von 20 Jahren Deutscher Einheit ziehen…“

Klar. Logisch. Sind schließlich zwei Jahrzehnte seit jenem historischen Oktober-Tag vergangen, als sich 90 % der Deutschen einheitstrunken in den Armen lagen.

Ich vermisse im medialen Dauerfeuer aus guten, weniger guten und grausamen Geschichten etwas. Tag für Tag mehr.

Nämlich: Geschichten von Alt-Bundesbürgern, was sich für sie seit dem 3. Oktober 1990 geändert hat. Bekenntnisse von Michael Jürgs oder Frank Schirrmacher, Anne Will oder Sandra Maischberger, Harald Schmidt oder Dieter Nuhr etc., was sie in den 20 Jahren seither anders machen mussten, konnten.

Ich fürchte, sie alle schweigen, weil sich nichts geändert hat. Oder nur so wenig und so behutsam, dass sie’s nicht gespürt haben.

Manchmal kommt es mir in solchen Momenten vor, als ob wir hier im Osten immer noch die Freaks sind, die mit einem gewissen Schaudern als Jahrmarkts-Sensation beglotzt werden. Manchmal fühlt sich der Osten an wie ein großes Labor, in dem ein Dauerversuch stattfindet und alle Jahre wieder die Gutachter-Kommission beratschlagt, ob die Probanden noch einen Durchgang absolvieren müssen …

0 Comments

  • Eli Sommer (#)
    30.09.2010

    Hallo Rainer, danke für die Frage. Ist natürlich jetzt spontan, zu antworten, aber die Frage hatte ich mir selbst schon oft gestellt und ich hab auch ne Antwort.
    VIELES hat sich geändert – zum Guten und zum Schlechten, wenn man das so platt erst mal sagen will. Gutes: Die Bundesrepublik ist für mich, in meinem Empfinden, offener und viel weniger spießig geworden, direkt durch das Dazukommen der DDR und ihrer Bevölkerung und wegen der „Völkerwanderung“ Ost nach West und West nach Ost, dem Erkennen von Unterschieden, Gemeinsamkeiten, Absonderlichkeiten, Anpassung, Ablehnung, Integration… Man kann und will nicht alles gut finden, setzt sich aber doch damit auseinander und das verändert! Die BRD war bis Ende der 80er ein verkrusteter Staat – christlich, angepasst, im Westen immer das Damoklesschwert „oh, das und jenes darf man nicht sagen, am besten gleich gar nicht denken, wegen der Nazi-Zeit“ (wie lähmend…). In den 80ern brachten die Grünen etwas Bewegung (in meine Jugendzeit neben der Neuen Dts. Welle), die Konservativen waren auf dem Posten mit „das geht doch nicht, wie die rumlaufen…“ (und ein bisschen suspekt kamen mir die Schafwollpulliträger schon auch vor, aber ich war nicht Popper, sondern punk-orientiert, da war das dann doch okay) und, übrigens, Kohls Ära bestimmte bis Ende der 80er meine gesamte politisch interessiert Zeit, das Lustigste mit ihm war die doppelte Neujahrsansprache! Noch was Gutes zur Öffnung der DDR: ganz persönlich, wir hatten keine Ost-Verwandten, keine Kontakte, das Land war so weit weg wie heute Neuseeland und dieses fremde Land kennen zu lernen, war sehr wichtig für mich. Wollte nur 1/2 Jahr bleiben, aber die Chance, Journalistin/Redakteurin zu werden, war natürlich EINMALIG – hätte ich im Westen nie werden können, und das kann und muss ich auch so klar sagen – vielleicht auch aus einer Art Selbstbeschränkung, weil ich doch nur Realschulabschluss habe!
    Somit fang ich jetzt mal mit dem Schlechten an: Neulich brachte es ein Komiker nochmals auf den Punkt – der Kohl war fast erledigt, als die DDR-Bürger ihn uns noch einmal zum Kanzler bescherten, der Rest ist Geschichte (Spendenaffäre, seine Fettnapftretereien, sein Journalistenhass….). Die Ost-Öffnung hatte gute, aber auch negative Auswirkungen: polnische Diebesbanden, Firmenverlagerungen ín die Slowakei, Lohndumping, Pornografie, das Bewusstwerden des Kapitalismus bzw. der Kapitalismus, wobei mir Letzteres erst durch meinen jetzt Ex-Freund aus Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren bewusst wurde… etc.
    Aber natürlich bringt es nix sich der Nostalgie dauerhaft hinzugeben, sondern, und als Optimistin sage ich mir, so ist es und man mache das Beste daraus, wie damals in den 80ern…. :)))
    LG Eli – Freue mich über eine Reaktion von Dir zu meiner „Antwort“

    • _Der|Aschenbrenner_ (#)
      30.09.2010

      Ok. Gibst Du mir einen Tag Zeit? Ich vergehe nämlich gerade in dem Wein, den ich auf FB in den Himmel (zu Recht!) lobte….

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