Gault Millau liebt den Raabe im Vier-Sterne-„Belle Epoque“

Punkte in Flensburg sind gehasst, die im Gault Millau geliebt. Gleich 15 davon heimste das „Belle Epoque“ in Mühlhausen für die 2017er Auflage des Genussführers ein. Dabei sind das Restaurant und das einzige Vier-Sterne-Hotel weit und breit gerade einmal ein halbes Jahr Ort der Gastlichkeit. Doch Simon Raabe ist kein Unbekannter im kulinarischen Kosmos: Der Feinschmecker-Fibel war er schon 2014, damals unweit im „Küsterhaus“ aktiv, Punkte wert.

Kein Koch wie aus dem Kinderbuch, der Simon. Steht da im schwarzen Pullover und mit der obligatorischen Schiebermütze aufm Kopf, jongliert mit einem großen Bild, noch in Schutzfolie verpackt. Auf der Suche nach dem rechten Platz an der Wand und im Separeé. „Ist moderne Kunst“, erklärt er. Und dass es der einzige Wandschmuck bleiben wird.

Gastliches „Belle Epoque“

„Belle Epoque“ heiße das Etablissement in Würdigung seiner ins Jahr 1886 reichenden Wurzeln und weil jene Ära um die Jahrhundertwende eine Zeit des Aufbruchs, der Lust am Leben war.

Und lebenslustig ist Simon Raabe. Sieht man auf den ersten Blick. Hört man. Eine Frohnatur.

Wirkt er auch schmächtig, ist Schmalhans dennoch nicht sein Küchenmeister. Ganz im Gegenteil – er rührt mit großer Lust, Können und jeder Menge Fantasie die Löffel. In den 1990er-Jahren lernte er in Mühlhausen Koch. Dann zog Simon von dannen. Nach Hessen, ins Saarland und das Elsass. Zum Schluss in die Schweiz.

2010 nach Mühlhausen zurückgekehrt, hatte er deshalb auch Weltläufigkeit im Gepäck. Die stifte ihn an, sein eigenes Regime im „Küsterhaus“ zu führen. „Dort habe ich gekocht, wie ich lustig war.“ Keine Karte. Alles frisch, hochwertig, regional, saisonal. „Das ist die Urform der Gastronomie“. Und weil für Raabe klar ist: „Das Auge isst mit!“, gab es von allem eben etwas mehr. Auch vom Trüffel.

Oder feinsten Fisch als Hauptgang. Appetitlich anzusehen – nur nicht nachgefragt. „Der Thüringer braucht eben sein Fleisch.“ Als er die Flossentiere in Menüs integrierte, hatte er auch die Mühlhäuser dafür gewonnen.

„Spaß am Kochen“

Das alles wäre nett, klein und übersichtlich gewesen, auch seine Experimentierstube – doch nie das große Geschäft. Raabe pocht aber unbeirrt auf sein Recht, vor allem Spaß am Kochen haben zu wollen: „Wenn ich gut davon leben kann, ist doch alles super?“

Darum schmeckt auch die nächste Etappe nach Erfolg: „Selbst in Thüringen sind zunehmend mehr Leute bereit, für Qualität zu zahlen.“ Die anderen, von weiter her, finden nun aber auch ein angemessenes Quartier auf die Nacht. 32-42 Quadratmeter messen die Hotelzimmer. Acht an der Zahl; mehr gab das Gemäuer nicht her. Kleiner sollten sie nicht sein, „sondern angemessen dem gediegenen Genuss, den wir bieten.“ Das Boutique-Hotel habe eine Dimension, bei der jeder Gast individuell betreut werden kann.

Eher überraschend: Das „Belle Epoque“ bietet mittags ein Business-Menü. Für selbstbewusste 15 bis 18 Euro, für Firmenchefs und Vorstände mit ihren Geschäftspartnern. Eine cleveres wie leckeres Angebot – so schafft man sich neue Stammgäste.

Dennoch mäßigt der Koch Simon immer noch den Controller in sich, geht es ans Auspreisen. „Ich möchte, dass Gäste auch ein zweites Mal kommen.“

Mit Emotionen Geld verdienen

Das tun sie. Nicht zuletzt, weil Raabe den Rat eines Schweizer Stammkundens verinnerlichte: „Mit Emotionen verdienst Du Dein Geld!“ Also sind Raabe und sein Team am Gast, bieten „gute, alte Schule“: Dekantieren zeremoniell den Wein oder geben der Forelle, dem Topinambur und dem Raviol erst am Tisch mit der Gemüsebrühe den letzten Schliff.

Jetzt habe er sich erst einmal ein Lehrjahr „Belle Epoque“ verordnet, ehe neue Pläne geschmiedet werden. „Nun wird gefestigt, an den Details gefeilt.“

Natürlich habe er überlegt, dass sich in Erfurt oder Weimar sein Anspruch an Küche und Unterkunft deutlich besser in klingende Münze hätte umsetzen lassen. Aber er fürchtete, „dass dabei die Seele auf der Strecke bleibt“.

So ticken offensichtlich alle im sechsköpfigen Team. Simon scharte Leute um sich, „die Gastronomie ,bluten’“. Wie Lars Müller, Simons alter Ego in Sachen Küche. „Ein Spätberufener“, einst Großhandelskaufmann, dann auch Praktikant im „Küsterhaus“. Beide kochen neue Menüs zwei-, dreimal durch, „dann kann ich mich auf ihn verlassen und auch mal einen Tag frei machen“.

Das braucht, wer den Hut aufhat. Damit Sinnlichkeit eine solch schöne Leichtigkeit hat wie im „Belle Epoque“.

(geschrieben für die AHGZ, die „Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung“, veröffentlicht online seit 11.3.17 und gedruckt in Ausgabe 10-2017)

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