Frankenstein

Gentests an Embryonen sind nach dem aktuellen Spruch des Bundesgerichtshofes erlaubt, die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID): Ärzte dürfen demnach außerhalb des Mutterleibs befruchtete Eizellen auf genetische Schäden untersuchen, bevor sie der Spenderin wieder eingepflanzt werden.

Die Untersuchung sei erlaubt worden, um schwere Erbkrankheiten zu erkennen, betonte das Gericht.

Kaum ist der Richterspruch öffentlich, beginnt das bekannte Ritual.

Kirchenvertreter wie Alois Glück, der Chef des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, finden scharfe Worte. „Ein schwerer Schlag gegen den Schutz und die Würde menschlichen Lebens“ sei dieses Urteil.

Für den Behindertenbeauftragten der Bundesregierung. Hubert Hüppe, öffne der Richterspruch Tür und Tor zu „Designerkindern“ und damit zum Aussortieren menschlichen Lebens.

Katholiken-ZK-Chef Glück übrigens räumte laut dpa wenigstens ein, es sei „selbstverständlich, dass Eltern sich ein gesundes Kind wünschten“. Die Unverfügbarkeit menschlichen Lebens verbiete aber jede Selektion von Embryonen, selbst, wenn sie genetische Defekte hätten.

Ich bin weder Katholik, Mediziner, noch Jurist oder Ethik-Theoretiker. Deshalb wohl frei von jedweder ideologischer Grundprogrammierung.

Ich fände deshalb eine Debatte zu den Chancen, die moderne Medizin bietet – auch in der Genetik – nützlicher, als sie immer und immer wieder als Teufelszeug zu verdammen.

Ich kenne Menschen mit Behinderung. Auch sie lieben das Leben, trotz Einschränkungen ihrer Lebensqualität. Auch sie wünschen sich Kinder. Ich hörte in dem Zusammenhang aber immer einen Herzenswunsch, den ALLE Eltern haben: „Egal, ob Junge oder Mädchen – Hauptsache, das Kind ist gesund!“

Das Gericht entschied, dass außerhalb des Mutterleibs befruchtete Eizellen auf genetische Schäden untersucht werden dürfen.

Seltsame Logik. Damit werden ausschließlich jene Paare privilegiert, die auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen können.

Oder jene, die es sich leisten können, diesen besonderen „Gesundheits-Check“ an teuren Privatkliniken weltweit zu nutzen.

Was spricht eigentlich dagegen, dass Paare mit Kinderwunsch das Recht und die Chance haben, testen zu lassen, ob ihr Nachwuchs Erbschäden befürchten muss?

Ist das unmenschlich, menschenunwürdig? Ist das nicht vielmehr verantwortliches Handeln?

Die Geschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte des Forschens. Fortschritt ließ sich bremsen, aber nie aufhalten. Unsere Möglichkeiten in allen Bereichen nehmen rasant zu.

Die von Glück beschworene „Unverfügbarkeit menschlichen Lebens“ mag dem katholischen Kanon entsprechen. Zeitgemäß ist er nicht. Wir verfügen schon lange über das Leben – durch Geburtenkontrolle, die Pille, das Recht auf Abtreibung etc.

So, wie jemand kein Mörder ist, der Sterbehilfe leistet, ist niemand ein Frankenstein, der sein Wissen, seine Fähigkeiten und technischen Möglichkeiten dazu benutzt, vermeidbares Leid zu verhindern.

13. Juli: Interessantes SPIEGEL-ONLINE-Interview mit dem Reproduktionsmediziner Ulrich Hilland zum Thema, der u. a. erklärt, warum werdende Eltern von den Tests profitieren – und zugleich vor einer Embryo-Selektion nach Schema F warnt.

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