Es war einmal… – märchenhaft Kulinarisches aus Schnepfenthal

Es war einmal… – ein ganz normaler Tag in der „Tanne“ in Schnepfenthal. Da raunte eine Serviererin ihrem „Chef“ Ulf Hühnergarth ins Ohr: „Da sitzen Gäste, die wollen alles ganz genau wissen, woher das Essen kommt und so…“ Das war Hühnergarths erster Kontakt mit „Slow Food“; besser gesagt mit den Mitwirkenden hier in Thüringen.

Wie sich herausstellte, waren Dr. Brigitt Bösch und Nikolaus Bischoff vom „Genussatelier“ Erfurt auf kulinarischer Erkundungstour. Sie hatten es sich munden lassen – und sich danach geoutet, um auch ihren Wissenshunger zu stillen.

2018 kam die „Tanne“ in den Slow-Food-„Genußführer“

„Was sie mir dann über Slow Food erzählten, gefiel mir wirklich gut“, erinnert sich Hühnergarth. Deshalb, weil er längst – ohne es zu wissen, respektive es damit zu verbinden – auf „Slow Foods“ Spuren wandelte: Seit seine Frau Sabine und er 2004 die „Tanne“ kauften, setzen sie auf die Region, deren Produkte.

Halten dafür eigenes Vieh. Haben zum Beispiel derzeit 15 Duroc-Schweine, 14 Highland Cattle und 6 Leineschafe. Die holen sie sich übrigens von Armin Siebert aus Beinrode (Eichsfeld).

Dieser recht stattliche „Tierpark“ hat seinen Ursprung in der Eröffnung der „Tanne“: Da bekamen die Hühnergarths ein Schwein geschenkt. Als es schlachtreif war, gefiel Ulf das Fleisch so gut, das er anschließend eine ganze „Schweinerei“ darauf aufbaute – und die hauseigene Metzgerei eröffnete.

Das Schlachten und das Wurstmachen hat sich der gelernte Elektriker autodidaktisch angeeignet und in den letzten 14 Jahren immer weiter ausgebaut.

Nun muss zwar nicht jeder, der Regionales bevorzugt, zwangsläufig ein Slow-Food-Fan sein. Aber die seien dennoch leicht zu erkennen, meint Hühnergarth. Das seien Leute, die würden nicht nur gerne essen. Sie wären zudem anspruchsvoll, könnten aber dennoch genießen. „Das ist etwas, was höchst selten geworden ist. Gegessen wird sonst, um satt zu werden.“

Solche Feinschmecker beherbergen Hühnergarths derweil auch in ihrer Pension: Beste Voraussetzung, um die Speisekarte von oben nach unten durchprobieren zu können.

Und es werden immer mehr, die in Waltershausens Ortsteil Schnepfenthal kommen – ausschließlich, um sich von den Hühnergarths verwöhnen zu lassen.

Solche Gäste sind es auch, die Ulf gern mit auf Rundgang durch Küche, (Kühl-)Kammer & Co. nimmt. Es ist seine Art von Transparenz, die ihm wichtig ist und die gern angenommen wird.

So erfährt, wer es wissen will, dass die „Tanne“ ihre eigenen Convenience herstellt. Dafür hat man sich vor drei Jahren technisch aufgerüstet. Sous-vide vorgegart, wird portionsweise schockgefrostet. Seither wartet allerlei wie Steaks, Hühnerbrust, Würzfleisch oder Buchweizenrisotto im Kältetiefschlaf auf jene, denen danach gelüstet. Das wiederum erlaube eine gleichbleibende Qualität bei schneller Zubereitung.

Die Lammbratwürste von Ulf sind legendär.

Ulf Hühnergarth ist ebenso wichtig: „Wir haben unsere Rezepte immer sorgsam ausgetüftelt, so lange gekocht, bis alles stimmig war – bis zu den Größen der Fleischstücke und Mengen der Beilagen.“ Es gäbe nun für Gäste ein reproduzierbares Esserlebnis; unabhängig davon, wer in der Küche den Kochlöffel schwinge, das Sagen habe. „Das ist für mich ein wesentliches Argument und es hat uns einen regelrechten Sprung in der Qualität gebracht.“

Betriebswirtschaftlich sei es auch von Vorteil: Sind regionale Produkte im Überfluss und mit entsprechenden Preisen am Markt, wird gekauft, verwertet und dann die strategischen Reserve in Feinfrost.

Hühnergarths Hang zum Regionaltypischen hält sie aber nicht von Grenzüberschreitungen ab. Deshalb sind sie ständig auf der Suche nach neuen Spezialitäten, nach neuen Zulieferern. Eben erst erkundete man wieder einmal die Fränkische Schweiz. Weniger der Nähe wegen, mehr der ausgesprochen guten Ertragslage dort. Ist der Klondike River für die Schnepfenthaler. Da wurden sie fündig und werden es immer noch.

Ihre „Goldnuggets“ sind solch hochprozentige Mitbringsel wie z. B. die sortenreinen Brände von Johannes Haas aus Pretzfeld.

Hass ist einer von rund einem Dutzend Brennern in Franken, die sich unter der Dachmarke „Rosenhut“ fanden. 1994 gegründet, vermarktet man Edelobstbrände. „Rosenhut“ ist Gütezeichen für strenge Qualitätsrichtlinien: Nicht erlaubt sind Aufzuckerung der Brände, jegliche Aromatisierungen.

Das ist sonst übliche Angewohnheit der Branche. Selbst solch Thüringer Leib- und Magenbrennereien wie die in Nordhausen oder jene in Gierstädt in der Fahner Höhe lassen davon nicht ab, wie sich auf den Etiketten dokumentiert.

Haas & Co. verwenden indes nur frische, vollreife Früchte, sauber ohne Blatt und Stiel. „Das riecht, das schmeckt man“, schwärmt Ulf. Als er Haas und seinen Laden entdeckte, habe er sich in den Obstgarten seiner Kindheit zurückversetzt gefühlt.

Und die „Rosenhut“-Gilde verpflichtete sich zudem zur „Pflege und Weiterentwicklung der regionalen Trinkkultur den Bestand von Streuobstwiesen zu fördern“, wie es in deren Satzung steht.

Das ist auch der Ansatz der weltweiten Slow-Food-Bewegung, die deshalb gern einmal als „Arche des Geschmacks“ bezeichnet wird. Der Verein „Slow Food Deutschland e. V.“ mit seinen rund 14.000 Mitglieder hat auch in Thüringen eine seiner 85 lokalen Gruppen, die sich „Convivien“ nennen. Der Verein achtet z. B. auf biokulturelle Vielfalt und bewahrte bisher 66 Nutztierrassen, Gemüse- und Obstsorten sowie traditionelle Lebensmittel vorm Vergessen. 2018 adelte man deshalb die Brunnenkresse. Dieses besondere Kräutlein wird schon lange von Ralf Fischer und seiner Frau in der Erfurter Klinge gehegt und gepflegt. Sie sind die letzten Mohikaner, die Brunnenkresse gewerblich anbauen.

Hopfen und Malz – Gott erhalt‘s

Nicht die letzte, aber eine von nur noch wenigen ist auch die Huppendorfer Brauerei. Das jüngste Kleinod, mit dem sich Hühnergarths „Tanne“ schmücken wird. Ein Andenken an den jüngsten Kurztrip ins Fränkische.

Dort scheinen eben Hopfen und Malz noch lange nicht verloren. Anders in Thüringen, meint Ulf: „Versuch mal, ein vernünftiges Helles hier zu bekommen?“ Das wäre dereinst auch ein typisch Thüringer Bier gewesen und er habe es unbedingt wieder für sein Haus haben wollen.

Nach der Wende schien das ja zunächst auch hierzulande kein Problem: Braumeister zwischen Eichsfeld und Eisfeld hatten endlich jene Zutaten, um anderes als die zuvor übliche Plörre herzustellen. Eine Vielzahl kleinerer Brauereien ließen auch das „grüne Herz“ vor Freude übergehen. Niemand verzapfte sich, wer deren Produkte genoss. Doch alsbald überkam auch in Thüringen diese Branche die Fusionitis. Die Globalisierung des Geschmacks machte die der Vielfalt dem (Bierglas-)Boden gleich. „Was haben wir denn noch?“, fragt Hühnergarth eher rhetorisch. Dingsleben, Watzdorf fallen ihm ein. Neunspringe im Eichsfeld oder die Rhönbrauerei Dittmar könnte man hinzurechnen.

Nun also kredenzt man „Zur Tanne“ das von den Gebrüdern Grasser gebraute Huppendorfer Bier.

Faktenkasten
Landgasthof „Zur Tanne“
Cumbacher Straße 1
99880 Schnepfenthal
Telefon: 03622 69005
E-Mail: info@zurtanne.de

www.zurtanne.de

Öffnungszeiten:
Mi.-So.: 11 – 23 Uhr
Ruhetage: Mo., Die.

Der Landgasthof „Zur Tanne“ wurde um 1690 als Gemeindeschenke erbaut und hatte bereits um 1700 überregionale Bedeutung.

Damit ist die „Tanne“ in dem einstigen fränkischen Straßendorf Rödichen – einem Teil von Schnepfenthal, dem Ortsteil der Stadt Waltershausen – das älteste Haus am Platze. Bereits im 18. Jahrhundert wurde eine Kegelbahn angelegt.

Bereits vor Mitte des 19. Jahrhunderts beherbergte das Gasthaus Kurgäste und Sommerfrischler.

Seit 1900 war Schnepfenthal-Rödichen Luftkurort und nach dem 2. Weltkrieg staatlich anerkannter Erholungsort, mit immerhin jährlich bis zu 2.500 Feriengästen. Eine Tradition, die nun Sabine und Ulf Hühnergarth fortsetzen.

 

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