Ein Schleizer sägt sich auf den WM-Thron

Beim Fußball klappte es zweimal nicht. Jetzt kann Philipp Stich seinen Stich machen, im im Oktober Weltmeister werden. Das Zeug dazu hat er. Und ist hoch motiviert. Bis in die letzte Spitze seiner blonden Locken. Denn diese Chance kommt nicht wieder: Bei den „WorldSkills“, den Berufs-Weltmeisterschaften, darf jeder nur einmal antreten. So auch der Zimmerer aus dem thüringischen Schleiz.

Das juckt Philipp aber nicht. Der ist ein cooler Typ. Wie sein Idol, der italienische Motorrad-Crack Valentino Rossi. Neunmal wurde der Champion. Rossis Startnummer, die legendäre „46“, ziert deshalb den Ring im Ohr von Philipp, das Handy, den Werkzeugkoffer.

Und jetzt hat er seine Stich-Probe: Dass er ’s drauf hat, bestätigte ihm auch Michael Rieger. Der Ulmer trainiert Deutschlands beste Zimmerer: Philipp für die WM; Andreas Fichter (St. Georgen/Baden-Württemberg), Christopher Hauk (Rettersheim/Bayern), Thomas Kremer (Mettlach/Saarland) und André Müller (Neudorf/Sachsen-Anhalt) für die im Januar 2012 in Stuttgart stattfindende EM.

Rieger weiß, worum es geht. Er wurde selbst 2001 Vizeweltmeister in Korea. „Fachlich sind die führenden Zimmerer-Nationen nah beieinander. Was entscheidet, ist die mentale Stärke.“ Umso mehr, da neuerdings die Veranstalter die Hürden niedriger hängten. „Das soll die Konkurrenz beleben.“ Starter aus Deutschland, der Schweiz, Korea, Frankreich und aus Irland hätten in den letzten Jahren die Weltmeister unter sich ausgemacht.

Bisher waren es schon keine unlösbaren Aufgaben, so der Profi. Aber die für die WM 2012 „sind erst recht für einen guten Zimmerer keine echte Herausforderung“, meint Roland Bernardi. Zumal sie schon heute bekannt sind …

Der Saarländer, der selbst 1994 an der EM teilnahm, ist seit Jahren Mannschaftsbetreuer. Der Unterschied zwischen dem Tagwerk und einer Meisterschaft: Während sonst der Zimmerer sein Ding machen kann, wuseln bei EM und WM alle möglichen Leute herum. „… vor allem die unmöglichen, wie die Presse-Fuzzis“, feuert Benardi feixend eine Breitseite Richtung schreibender Zunft, der er gerade Auskunft erteilt. Das macht Stress, lenkt ab, knabbert an der Konzentration. Da passieren selbst Routiniers vorher für unmöglich gehaltene Fehler.

Insofern erlebten die Meister-Kandidaten ihre Feuertaufe beim Medienauftrieb im eher abgelegenen Sonneborn. Dort, im Herzen des Landkreises Gotha, trainierten sie. Dass die fünf besten deutschen Holzwürmer dafür ideale Bedingungen vorfanden, verdanken sie der Hamburger Firma VELUX und deren Sonneborner Residen-ten, Günther Sperl. Das Unternehmen stellte sein Schulungs-Forum zur Verfügung, sorgte zudem für standesgerechte Unterkunft und ein Begleitprogramm: Den jungen Burschen fehlte es an nichts. Eben nicht einmal an Aufmerksamkeit …

Deshalb posiert zum x-ten Mal in diesen Tagen Philipp für die Kamera. Zückt seine Lieblings-„Stich“-Säge, spannt ein Holz in den Schraubstock, ritscheratscht ein Stück von der Leiste ab. Schaut dabei immer wieder in einen kleinen Spiegel vis-a-vis, prüft den Schnitt. Greift fürs nächste Foto-Motiv zu den überdimensionalen Dreiecken, seinem Stift und der Zeichnung. Hockt sich aufs Anrissbrett, überträgt die Maße, reißt seine Hölzer an. Verzieht keine Miene bei dieser bühnenreifen Show.

Nur manchmal; wenn er doch die Umgebung vergisst, steckt er die Zunge raus. Was sonst eher als unschicklich gilt, kann im speziellen Falle Goldes wert sein. Im wahrsten Sinne des Wortes: „Dann ist er voll konzentriert“, kommentiert dies Roland Bernardi, der hinter seinem Schützling steht, ihn aufmerksam beobachtet: „Nicht eine Haaresbreite, sondern eine Zungenspitze entscheidet in London, wenn es um die Krone geht …“

(Beitrag für die „Deutsche HandwerksZeitung“)

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