„Du bist doch bekloppt!“

OHRDRUF. Der Ehrliche ist manchmal der Dumme. Oder wird zumindest dafür gehalten. Philipp Kiebert jedenfalls erging das so.

Alles begann an einem Mittwochmorgen Mitte Januar. Der 19-Jährige hat es eilig. Will schnell vor Schulbeginn noch Geld holen. Es ist ordentlich Betrieb in der Sparkassenfiliale. Aber – welch Glück! – einer der elektronischen Geldspeier ist frei. Philipp stürmt auf ihn zu. Und traut seinen Augen nicht: Im Ausgabeschlitz steckt ein dickes Bündel. Der Blondschopf zieht die scheinbar vergessenen Scheine heraus; es sind 500 Euro. Eine Menge Geld. Und nicht nur für einen Abiturienten.

 

 

 

 

 

 

Was tun? Klare Sache für Philipp – abgeben. Aber alle Schalter sind besetzt und ihm rennt die Zeit weg. Im Gymnasium klingelt es gleich zur Stunde und er muss eine wichtige Arbeit schreiben. Was also tun?

Er macht auf der Hacke kehrt; flitzt in die Schule, schreibt die Klausur und steht anschließend wieder in der Sparkassen-Filiale. Am Schalter machen Astrid Meyer und Azubi Martin Platz Dienst. Beide staunen nicht schlecht, als der Bursche die Banknoten auf den Tresen legt und die Geschichte dazu erzählt. Seine Handynummer wird aufgeschrieben, vom Personalausweis eine Kopie gezogen. Man dankt. Dann geht Philipp.

Und hört fast zwei Wochen nichts. Bis das Telefon klingelt: Die Sparkasse lädt ihn ein, will sich erkenntlich zeigen, „weil das nicht selbstverständlich war“, wie Vorstand Jörg Krieglstein meint: „Uns ist das Herz aufgegangen.“ Das sieht Polizeihauptkommissar Dieter Günther auch so: „90 Prozent oder mehr hätten kurz geschaut, ob jemand etwas gesehen haben könnte und sich dann das Geld eingesteckt. Selbst auf die Gefahr hin, erwischt zu werden …“, ist der Pressesprecher der Polizeiinspektion Gotha sicher.

Wie zur Bestätigung erzählt Philipp von den Reaktionen in seinem Freundeskreis. Was für ihn eine Selbstverständlichkeit war, traf dort auf völliges Unverständnis. „Du bist doch bekloppt…“ – das sei die spontane und häufigste Reaktion gewesen. „Das hat mich aber nicht irritiert; es war meine Entscheidung. Alles andere hätte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren können.“

Seine Eltern seien stolz auf ihren ehrlichen Sohn, erzählt der junge Mann etwas zögerlich Ihm scheint der ganze Rummel zu viel und vor allem nicht vonnöten. Ehrlich und bescheiden – gleich zwei Charakterzüge, die heute so selten scheinen.

Einen Finderlohn bekam er übrigens nicht. Die Dame, die sichtlich am Bankautomaten den Überblick und deshalb beinahe 500 Euro verloren hätte, zeigte keine Dankbarkeit. Schade eigentlich, denn Menschen wie Philipp Kiebert hätten das nun wirklich verdient. Mindestens das.

Als Trostpflaster hatte Polizist Günther einen Kugelschreiber mit einer Taste für eine ganz spezielle Sonderfunktion: „Drückt man sie, dann geht einem ein Licht auf“.  Sparkassen-Vorstand Krieglstein legte einen 50-Euro-Gutschein dazu und eine Sporttasche.

 

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