Der „Kaffee-König von Rügen“

Mal wieder überreif für die Insel. Deshalb wäre eigentlich ein langes Wochenende auf Rügen fällig. Ist immer gut fürs Hirn auslüften. Und bringt genau so oft wie unverhofft Eingebungen, Anregungen, Inspirationen.

Putgarten. Das Dörfchen aufm Präsentierteller vor Kap Arkona. Dort vorbeizuschauen, hat Tradition. Tradition seit November 2013 hat für mich auch, auf dem Weg zum nördlichsten Punkt Deutschlands mir den besten Espresso ganz Rügens zu genehmigen – bei Robert Klinger, dem „Kaffee-König von Kap Arkona“.

Macht man das und Maestro Klinger ist zugegen, gibt es immer was auf die Lauscher. Wie zum Beispiel die Geschichte vom angeblich stärksten Kaffee, der jemals gebraut wurde: „Junge, da stand der Löffel drin!“ Robert Klinger feixt. Steht mit breiter Brust und noch breiterem Lächeln hinter der Theke, als er von jenem Gebräu erzählt, den seine „Jungs“ ihm gemacht hatten. Damals war’s, als er noch in schicker Marine-Uniform steckte und auf einem DLRG-Seenotrettungskreuzer fuhr. „Der war fast wie Sirup“, so dick und stark. Die Truppe habe angeblich die Schmerzgrenze des Kaffee-Großkonsumenten austesten wollen. „Ich ließ mir nix anmerken, aber hatte echt zu tun.“

Seit 2010 hat Klinger die Rösterei samt Mini-Café in Putgarten, im Rügenhof. Dem rechten Ort für Koffein-Junkies wie mich. Nach fast vier Stunden Fotosafari zwischen Steilküste und Schinkels Bauwerk, Ausläufern des Geisterwalds und Leucht- wie Peilturm brauchte ich einen Kick für den Kreislauf.

Den bekam ich. Denn Robert kann mit heißer Luft umgehen. Die braucht er nämlich, um den weißen, roten und grünen Bohnen des Rohkaffees jene feinen Röstaromen zu verpassen, nach denen mir gelüstet.

Doch der Mann hat weitaus mehr auf dem Kasten. Das bekommt jeder zu spüren, der den duften(den) Ort betritt: Das Reden liegt ihm. Ach was, er ist ein Entertainer. Einer der alten Schule. Ein Animateur. Ein Verkäufer mit Leib und Seele. Einer, der mit Herz und Schnauze dabei ist, wenn er seine Ware anpreist.

Und das tut er mit einem jungenhaften Charme. Der macht vergessen, dass sein Geburtsjahr nun auch schon geraume Zeit zurückliegt. Robert hat eine ansteckende Fröhlichkeit, ist nie um einen flotten Spruch verlegen. Und läuft zu gaaanz großer Form auf, gerät er an jemanden seines Kalibers, der Paroli bieten kann: Dann fliegen die Pfeile, sprüht doppelsinniger Wortwitz.

Geboren in Halle, verbrachte er dort nur seine Schuljahre. Ansonsten sei er an der Küste gewesen, dann auch zur See gefahren, noch zu DDR-Zeiten. Die Wende machte aus ihm einen professionellen Retter aus höchster (See-)Not. Zehn Jahre lang, bis die Gesundheit nicht mehr mitspielte, er abheuern musste. Aber Seeleute auf Land seien wie gestrandete Wale: hoffnungslos und verloren. Zudem war Robert kein Techniker und Meister der Motore sondern ein Weg-Weiser, sprich: Nautiker. „Den braucht kein Mensch an Land…“

Robert flaggte trotzdem nicht halbmast. Vielmehr trieben ihn offensichtlich günstige Winde. Ging deshalb auf eine Kaffeefahrt, eine ganz andere. Mit einem „fliegenden“ Holländer. Der reiste durch die Gegend und reparierte Kaffeemaschinen. Die ganz großen und wirklich teuren Teile. Klinger half nicht nur aus, sondern schaute zu, stellte neugierige Fragen. Lernte so zwei Handwerke auf einmal: Wie man die Edelbrüher am Laufen hielt. Und wie man Roh-Kaffee veredelte.

„Alles keine Wissenschaft“, sagt er heute im Brustton überzeugter Kennerschaft. Sein Cappuccino ist lecker, der doppelte Espresso ein Traum.

bildschirmfoto-2016-11-27-um-12-44-35-kopieDraußen gibt Klärchen eine Gala-Vorstellung am blauen Himmel, Trotzdem sind es nur noch frische 7 Grad. Trotzdem ist beim Kaffee-Klinger Tag der offenen Tür. Durch die kommt eine ältere Dame. „Von nebenan“, wie sie sagt. Eine Flasche Wasser, bitt’schön, hätte sie gern. Die nachbarschaftliche Beherbergungsstätte habe sie an Robert verwiesen. „Aber gern doch“, reitet der seine erste Charme-Attacke. „Woll’n sie nicht auch eine Tasse Kaffee?“ Die Dame, hörbar Berliner Herkunft, winkt ab. Robert lässt nicht nach: „Der geht auch aufs Haus…“ „Ach“, sagt die Dame, „ich habe doch schon so viel gegessen.“ Denkt kurz nach, willigt dann doch ein. Kaffee-König Klinger schmunzelt zufrieden. Zapft eine Tasse frischen schwarzen Gebräus. „Mit Milch, normaler? Oder mit Kaffeesahne?“ Ihr wär’s egal, sagt die Dame. Robert gießt aus dem Tetrapack Milch zu, mit Schwung. Zu großem für die kleine Tasse. „Oh, ich habe gekleckert.“. „Macht nichts, junger Mann“, lässt sich die Dame aus sicherlich einst gutem Haus auf den Klinger-Ton ein: „Ist ja Ihr Tisch.“

Wenig später hat der Charmeur sie zu einem Cookie überredet, der natürlich auch aufs Haus gehe. Die zweite, nun große Tasse Kaffee gibt es auch. Und dazu ordert die Dame eine Waffel.

Nebenher und gar nicht beiläufig hat Robert K. seine Lebensgeschichte komplettiert: 2010 hatten wir und das Ende der fliegenden Holländerei. Er hatte derweil eine neue Liebe gefunden. Und ein Café auf der Insel, das einen neuen Betreiber suchte.

Und den besten fand, den ICH mir vorstellen kann.

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