Oscar-Kolumne: Von blitzgescheiten Frühlingsgefühlen

Von blitzgescheiten FrühlingsefühlenLiebe Liebenden! Lasst Euch all überall von Euren Frühlingsgefühlen übermannen und –frauen. Aber nicht beim Verkehr! Weil das teure Folgen haben kann. Und nicht erst nach neun Monaten.

Hierzulande allemal: Schließlich lässt der Lenz uns büßen. Nicht nur mittags droht der Gau. An allen goth’schen Ecken sprießen bald die Blitzer scharf und hightechschlau. Draus schießt, zu unsrem Leide, ein Knipsmaschinchen klein und lädt im Amtsinteresse zum Bußgeldreigen ein. Solch Sünderbildlein kosten, drum sind sie nicht begehrt. Es nutzt bloß nicht das Grummeln – wer rast, der fährt verkehrt. Hey, hinter mancher Linde, da droht ’ne Fußgängerzeit. Drum macht’s nur halb so geschwinde – gemächlicher Verkehr bringt eh die meiste Freud’.

Verkehrskontroll-Phallus

Das seit 2013 bestehende Quickie-Bremserquartett hat jedenfalls die Fantasie der Stadtoberen befeuert. Diese speziellen Zapfsäulen sowie die eine mobile Temposünderfalle spülen beachtliche Summen ins Stadtsäckl. 2015­ waren das mehr als 770.000 Euro.

Deshalb dürfen sich zunächst die vier „stillen Mitarbeiter der Verwaltung“ vermehren – wie sie liebevoll Gothas Obermeister aller Bürger, Knut Kreuch, nannte.

Hergestellt werden die strafenden Skulpturen von Jenoptik. Die Firma übernimmt den Aufbau, den Betrieb und die Wartung – und lässt sich dafür bezahlen. Zudem rollt der Rubel noch einmal pauschal für jedes geblitzdingsbumste Konterfrei.

Die Flitzerblitzer „Made in Thuringia“ verkaufen sich wie geschnitten Brot – und nicht nur in ihrer Heimat. Jüngst verkündeten die Jenaer Rotlicht-Spezialisten, einen Deal mit Australien gemacht zu haben. 81 solcher Tief-Fliegenfänger gehen down under. Der segensreiche Sieben-Jahresplan bringt den Jenaern knapp 20 Mio. Euro ein.

Sex-Tett

Jetzt also sollen sechs dieser vermeintlichen Gefährder-Verhüterli in den Verkehr gebracht werden. Gibt der Hauptausschuss am kommenden Montag grünes Licht dafür, sehen Gasfußfetischisten noch mehr rot: Je ein neuer Verkehrskontroll-Phallus soll demnach die Dr.-Troch-Straße im Gewerbegebiet Gotha-Süd schmücken, die Kindleber Straße im Osten, die Salzgitterstraße in Siebleben, die Goldbacher Straße im Norden und die Gartenstraße. Außerdem gesellte sich dann zur „Tempo 30“-Schilderherde in Uelleben ein Wolf im schönen Pelz.

Unstrittig – zumindest jenseits der Stadtgrenzen Gothas – ist indes eines: Solch stationären Tempomaten werden alsbald nur noch ortsunkundigen sturen Schnellfahrern oder Traumtänzern bzw. extrem vergesslichen Eingeborenen zum Verhängnis. Selbst das billigste all unserer feinen, kleinen digitalen Pfadfinder verfügt über deren Standortdaten.

Unstrittig ist allerdings ebenso: In der Stadt gibt es weiß Gott genügend Kindergärten, Altenheime und Schulen etc., an denen die kommunalen Kontrollettis mit Feuereifer und garantiert großer Ausbeute Fotos machen könnten.

Warum sie’s nicht tun?

Anders als die „stillen Mitarbeiter“, jene seelenlose Technik, kosten Menschen nun einmal Tariflohn, brauchen Urlaub, wollen Teilzeit oder streiken. Manchmal sogar trotz Frühlingsgefühlen.

(überarbeitete Kolumne, veröffentlicht im “Oscar am Freitag”, Ausgabe Gotha, am 31. März 2017)

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