Oscar-Kolumne: Ballerinen und Ballerinos

Fußball. Nicht mein Ding. Aber ich neige dazu, diesen Samstag ins „Volkspark“-Stadion zu pilgern: Ab 13 Uhr kicken die Ballerbuben der A- und B-Jugend von Wacker 03 gegen die Bundesliga-Mädels vom FF USV Jena.

Das klingt für’n Laien wie mich nach David gegen Goliath. Soll aber gar nicht (vor)entschieden sein. Sagt Thomas Fiedler, der Präsident von Wacker 03: „Bei Ausdauer, Technik und taktischen Disziplin haben die Jenaerinnen Vorteile. Wir bei Schnelligkeit, Kraft und individueller Taktik.“

Immerhin: Fiedlers Nachwuchswiesel ließen zuletzt thüringenweit meist die anderen stehen. In zwei der vier Altersklassen, in denen Landesmeister gekürt werden, sackten sie die Meisterschalen ein.

Deshalb haben die Gothaer Youngster auch einen Ruf wie Donnerhall, testen sie die BuLi-Ballerinen aus Jena. Das ist schon vor Anpfiff ein Ritterschlag: Der FF USV Jena gab den Jungs den Vorzug vor Nordhausen, Rudolstadt oder Meuselwitz. Sie gehören nun zum illustren Kreis wie der VfL Wolfsburg, Standard Lüttich oder die vietnamesischen Frauen-Nationalelf.

Deshalb darf Thomas Fiedler am Samstag mit stolzgeschwellter Brust auf die Tribüne. Als der Seiteneinsteiger 2013 „il presidente“ wurde, krempelte er einiges um. Wacker schlägt sich seither wacker. So erfolgreich, dass Gotha im Nachwuchs-Amateurfußball zu den fußballerischen „Großmächten“ Jena und Erfurt aufschloß, sich als Thüringens Nr. 3 etablierte. Auch die Männer fanden zu alter Stärke, stiegen in Thüringens höchste Spielklasse auf.

Fiedlers frische Fußball-Philosophie findet über die Grenzen der Residenzstadt Anerkennung: So klingelt öfter sein Telefon, wollen sportliche Leiter oder Vereinsvorsitzende wissen, was Wackers Geheimnis ist.

Und vielleicht endet am Samstag auch mein (Ball-)Trauma: Schon als Bürschlein klein im schulischen Schlabber-Rot-Gelb vergällte man mir diesen Mannschaftssport.

Zuckertütentauglich, attestierte ein Onkel Doc mir mangelndes räumliches Sehen – und so die Befreiung vom Schulsport. Das hinderte einen Sportlehrer nicht, mich zum Passivp(f)osten zu machen. Meines Nasenfahrrads entledigt, brillierte ich „Verloren in den Toren“. Die Treffergenauigkeit meiner Klassenkameraden stieg rapid. Ich „Brillenschlange“ war doch eher eine Blindschleiche. Keine Ahnung, wie oft ich den Ball voll auf die Zwölf bekam.

Jahrzehnte später. Eine kuriose Kausalität zwischen mir und der Torausbeute der deutschen Fußball-Götter fällt auf. EM 2012. Jogis Jungs umschwärmen der Dänen Tor, Fruchtfliegen Aschenbrenners Biomülleimer. Ich entziehe mich daher temporär dem kollektiven TV-Erlebnis. Zeitgleich kickt Lars Bender unsere nördlichen Nachbarn aus’m Turnier.

WM 2010. Freitag, der 13. Während alle Welt… – bin ich zwischen 68. und 70. Minute des Spiels der Deutschen gegen Australien an der braunen Tonne. Thomas Müllers und Cacaus Tore sehe ich nicht.

EM 2008: Viertelfinalfieber. Was tue ich, als Ballack per Kopf Portugal ausm Rennen wirft? Richtig!

Also, lieber Thomas Fiedler: Falls es Samstag nicht läuft, lass mich laufen – nach’n Bier für uns beide. 😛

(Kolumne, veröffentlicht im “Oscar am Freitag”, Ausgabe Gotha, am 29. Juli 2016)

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